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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Ohrringe, die wie winzige grüne Papageien aussahen.
    »Was’n los, Süße?«, sagte Kirk, das Gesicht halb im Kissen vergraben.
    »Ich hab da was Neues«, sagte Keisha. »Ich brauch dich vielleicht, wenn die Leute eine Referenz wollen.«
    »Ja, ja. Alles klar«, sagte er, ohne auch nur ein Auge zu öffnen.
    Jetzt saß sie in ihrem kleinen Koreaner vor dem Haus der Garfields und vergewisserte sich im Rückspiegel, dass sie keinen Lippenstift auf den Zähnen hatte. Stimmte sich auf ihren Auftritt ein.
    Sie war bereit.
    Zeit, anzuklopfen und dem verzweifelten Ehemann zu eröffnen, dass sie ihm in seiner Stunde der Not helfen konnte. Das
Instrument
sein konnte, das ihn auf die Spur seiner Frau Ellie brachte.
    Denn Keisha hatte etwas
gesehen
. Sie hatte eine
Vision
gehabt. Eine Vision, die sehr wahrscheinlich die Antwort auf die Frage bringen würde, warum die Frau, mit der er seit einundzwanzig Jahren verheiratet war, seit vier Tagen vermisst wurde.
    Eine Vision, an der sie ihn gerne teilhaben ließe.
    Wenn der Preis stimmte.
    Keisha Ceylon holte tief Luft, warf im Rückspiegel einen letzten Blick auf ihren Lippenstift und öffnete die Wagentür.
    Showtime
.

[home]
    Fünf
    S ie wollen damit also sagen, dass es nichts Neues gibt? Überhaupt nichts?«, sagte Wendell Garfield in den Telefonhörer. »Ich dachte … Ich habe wirklich geglaubt, dass jemand … Also, wenn Sie etwas hören, egal was, dann erwarte ich, dass man mich anruft, verdammt noch mal. Können Sie sich vorstellen, was wir gerade durchmachen? Was meine
Tochter
durchmacht? Richten Sie Detective Wedmore aus, dass ich angerufen habe. Sie soll mich zurückrufen. Und zwar sofort.«
    Er knallte den Hörer auf die Gabel. Als er an diesem Morgen aufgestanden war, hatte er sich vorgenommen, der Polizei heute Dampf zu machen, alle halbe Stunde anzurufen, wenn es sein musste. Seit der Pressekonferenz war ein ganzer Tag vergangen. Mehrere Fernsehsender hatten die Story gebracht. Auf YouTube gab es einen Clip davon. Wenn sich jemand bei der Polizei meldete, dann jetzt. Denen musste klar sein, dass Wendell langsam die Geduld verlor. Dass sie endlich etwas unternehmen mussten.
    Eigentlich hatte er die Ermittlungsleiterin, Rona Wedmore, sprechen wollen. Doch sie war unterwegs, und er wurde an jemanden weitergeleitet, der behauptete, so ziemlich auf dem Laufenden zu sein, sowohl was die Ermittlungen als auch was die Reaktionen auf die Pressekonferenz betraf. Bei der Hotline, die die Polizei eingerichtet hatte, waren bisher nur wenige Anrufe eingegangen, und keiner davon wurde als hilfreich erachtet. Auch der übliche Spinner hatte sich gemeldet – eine Frau diesmal. Ellie Garfield sähe genauso aus wie eine Schauspielerin in einer italienischen Seifenoper, die sie gesehen habe. Habe die Polizei schon überprüft, ob die Vermisste vielleicht alles stehen und liegen gelassen habe, um Schauspielerin zu werden?
    Nach Beendigung des Telefonats beschloss Garfield, sich zur Beruhigung einen Tee zu machen. Er hatte nachts höchstens ein paar Minuten geschlafen. Wie viel hatte er überhaupt geschlafen seit Donnerstag, als das alles hier losging? Fünf Stunden? Sechs vielleicht? Seine Tochter Melissa vielleicht ein wenig mehr, doch wohl auch nur, weil die Schwangerschaft so an ihrer Substanz zehrte.
    Garfield hatte nicht gewollt, dass Melissa vor die Kameras trat. Er sei sich nicht sicher, ob sie den Stress verkraften würde, hatte er der Polizei gesagt. Sie sei im siebten Monat, ihre Mutter werde vermisst, und jetzt solle sie in den Sechs-Uhr-Nachrichten auftreten?
    »Ich will ihr das nicht zumuten«, hatte er der Polizei gesagt.
    Doch Melissa selbst hatte darauf bestanden, sich gemeinsam mit ihrem Vater an die Öffentlichkeit zu wenden. »Wir machen das zusammen, Dad«, hatte sie zu ihm gesagt. »Alle Welt soll wissen, dass wir wollen, dass Mom gefunden wird und dass wir sie wiederhaben wollen.«
    Widerstrebend hatte er zugestimmt, doch nur unter der Bedingung, dass er das Reden übernahm. Als die Lichter angingen und die Kameras auf ihre Gesichter gerichtet waren, verlor Melissa völlig die Fassung. Sie brachte gerade noch »Mommy, bitte komm zu uns zurück« über die Lippen, bevor sie, in Tränen aufgelöst, ihr Gesicht an der Brust ihres Vaters vergrub. Auch er brachte nicht viel mehr heraus, als dass sie Ellie sehr liebhatten und wiederhaben wollten.
    Er hörte undeutliches Murmeln der Reporter, nur einer sagte klar und deutlich: »Starker Auftritt.«
    Blutsauger.
    Er nahm

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