Frag die Toten
Beratung brauchte.
Sie verabredeten sich noch für denselben Abend in einem Motel. Es war Donnerstag, Ellie also zu ihrem wöchentlichen Einkauf unterwegs, weshalb Wendell nicht erst eine Ausrede erfinden musste, als er das Haus noch einmal verließ. Doch sie mussten sich beeilen, denn mehr als zwei Stunden brauchte Ellie nie.
Wie sich herausstellte, reichten ihnen neunzig Sekunden.
»Das ist nur die Nervosität«, sagte Laci zu ihm. »Du hast so was eben noch nicht gemacht.«
»Du vielleicht?«, fragte Wendell.
Laci war entsetzt über die Frage. »Natürlich nicht.« Sie war schließlich keine von
diesen
Frauen.
Gewesen
. Bis jetzt.
Sie konnten es einrichten, sich ein-, zweimal die Woche zu treffen. Nicht immer im Motel, denn jedes Mal ein Zimmer zu mieten ging ganz schön ins Geld. Manchmal taten sie’s in Lacis Minivan. Einmal probierten sie es auf dem Rücksitz von Wendells Buick, doch er kam zu der Erkenntnis, dass man mit Mitte vierzig eben doch nicht mehr so gelenkig war wie als Teenager. Also blieb Lacis Honda das Mittel der Wahl, denn dessen Sitze ließen sich ganz nach hinten klappen.
Praktisch.
Das schlechte Gewissen, das Wendell die ersten paar Male noch zu schaffen gemacht hatte, wich bald der Überzeugung, dass Ellie ihn förmlich dazu getrieben hatte. Es war nicht seine Schuld, sondern eine Frage des Überlebens. Ellie steigerte sich immer mehr in die Sache mit Melissa hinein, er brauchte einen Ausgleich. Und den hatte er gefunden.
Wenn das Baby einmal da war und Melissas Situation sich geklärt hatte, würde er das mit Laci beenden.
Redete er sich zumindest ein. Und manchmal glaubte er es sogar.
Ein paar Minuten nachdem er das Gespräch mit der Polizei beendet hatte, klingelte das Telefon. Vielleicht war es ja Detective Wedmore, die zurückrief. Doch als er die Nummer auf dem Telefondisplay erkannte, schimpfte er leise vor sich hin. Wie kam sie dazu, ihn zu Hause anzurufen? War die Frau von allen guten Geistern verlassen?
»Hallo?«
»O Wen, ich musste dich einfach anrufen.«
»Laci, das ist jetzt gerade nicht so günstig.«
»Aber ich muss die ganze Zeit an dich denken – was du jetzt durchmachst«, sagte sie. Sie flüsterte nicht, woraus Wendell schloss, dass sie allein zu Hause war.
»Wo sind denn Trevor und die Jungs?«, fragte er sie.
»Er ist mit ihnen für ein verlängertes Wochenende zu seinen Eltern nach Schenectady gefahren«, antwortete Laci. »Sie kommen heute im Laufe des Tages zurück. Ich bin gerade auf dem Weg zur Arbeit. Sag doch was, Wendell.«
»Was soll ich denn sagen?«
»Gibt’s was Neues? Hat die Polizei schon was rausgefunden? Ich hab’s im Fernsehen gesehen. Ich hab’s mir um sechs angesehen und dann noch mal um elf. Es war sehr ergreifend. Du warst sehr gut. Du weißt schon, was ich meine. Du hast das wirklich toll rübergebracht. Ich meine, wenn es irgendjemand gibt, der etwas weiß und dich gesehen hat, dann ruft der bestimmt an.«
»Ich habe gerade mit der Polizei telefoniert«, sagte Garfield. »Sie haben keine brauchbaren Hinweise erhalten.«
»Ich hab … ich hab so … ich weiß gar nicht, wie ich sagen soll«, sagte Laci. »Irgendwie hab ich ein schlechtes Gewissen, weißt du? Wegen dem, was wir hinter ihrem Rücken getan haben.«
»Das eine hat doch mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.«
»Das stimmt schon, aber trotzdem muss ich immer dran denken: Was ist, wenn jemand dahinterkommt? Was ist, wenn jemand merkt, was zwischen uns läuft, und auf die Idee kommt, es hat was damit zu tun, was Ellie zugestoßen ist? Und wenn ihr, Gott bewahre, tatsächlich was zugestoßen ist, wie sieht das denn dann aus, wenn –«
»Laci, ich bitte dich, lass das«, sagte er. »Vielleicht wollte sie nur mal ein paar Tage weg. Um einen klaren Kopf zu bekommen.«
»Glaubst du das?«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber möglich wär’s. Ich meine, ihr Wagen wurde nirgends gefunden und auch sonst nichts. Wenn ihr hier in der Gegend was passiert wäre, hätten sie doch wenigstens ihren Wagen gefunden.«
»Dann glaubst du also, sie wollte einfach nur weg? Nach Florida oder so?«
»Laci, verdammt noch mal, ich weiß es nicht! Ich hab keinen blassen Schimmer.«
Sein Ton verschlug Laci einen Augenblick die Sprache. »Deswegen brauchst du mich aber nicht so anzublaffen.«
»Ich weiß im Moment nicht, wo mir der Kopf steht.«
»Wie kommt Melissa denn damit klar?«
»Schlecht.«
»Was ist mit dem Mann, von dem sie das Kind kriegt? Ist der noch
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