Frag die Toten
kennen, der total auf Sport steht, der viele Trophäen gewonnen hat, insbesondere Fußballpokale, vielleicht auch Baseball. Und der Mann von der Kripo sagte, ja, klar, wir kümmern uns gleich darum, allerdings so, als wollte er mich nur bei Laune halten. Aber dann fuhr er weg und telefonierte wohl doch ein bisschen herum, jedenfalls standen sie eine Stunde später bei einem Nachbarn auf der Matte, auf den diese Beschreibung passte, und retteten dieses kleine Mädchen. In letzter Minute.« Keisha hielt inne. »Sie hieß Nina. Und letzte Woche hat sie ihren neunten Geburtstag gefeiert. Gesund und munter.«
Reine Phantasie.
Keisha faltete die Hände und legte sie in den Schoß, ohne Garfield aus den Augen zu lassen.
»Möchten Sie mit Ninas Vater sprechen?«, fragte sie. »Ich glaube, ich könnte das arrangieren.« Keisha rechnete zwar nicht damit, dass er sie beim Wort nehmen würde, doch sie hatte vorgesorgt. Kirk hatte seine Instruktionen. Sollte Garfield anrufen, würde Kirk so tun, als wäre er der Vater des verschwundenen Mädchens. Sie hätten Keisha das Leben ihrer Tochter zu verdanken, würde er sagen. Einmal war er damit schon zum Einsatz gekommen – nicht in einem Vermisstenfall, nur bei einer Frau, die eine Referenz wollte, ehe sie sich von Keisha aus der Hand lesen ließ –, und er hatte sich nicht allzu dumm angestellt. Wichtig war, den Anruf so kurz wie möglich zu halten. Kirk verlor leider zu leicht den Überblick über die Lügen, die er jemandem auftischte, und je mehr Fragen man ihm stellte, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass er sich verplapperte.
Wie erwartet legte Garfield keinen Wert darauf, sich das Ganze bestätigen zu lassen. »Nein, nein, schon gut«, sagte er. »Spannende Geschichte.«
Keisha hörte zwar den Sarkasmus, doch er hielt sich in Grenzen.
»Wenn Sie wollen, dass ich jetzt gehe«, sagte sie, »verstehe ich das natürlich. Vielleicht haben Sie mich ja schon als Trickbetrügerin abgestempelt. Und es gibt mehr als genug davon, das können Sie mir glauben. Wenn Sie nichts von meiner Vision hören wollen, dann gehe ich jetzt, und Sie hören nie wieder etwas von mir. Ich möchte nur noch sagen, ich hoffe, dass die Polizei Ihre Frau bald findet, Mr. Garfield, damit Sie und Ihre Tochter wieder ein normales Leben führen können.«
Sie stand auf. Auch Garfield hatte sich erhoben, und als Keisha ihm die Hand hinstreckte, ergriff er sie. »Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben. Es tut mir wirklich leid, Sie belästigt zu haben.«
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte er. »Ich meine, wenn Sie diese angebliche Vision hatten und ich halt leider nicht zu denen gehöre, die auf so was anspringen, was fangen Sie jetzt damit an?«
»Wahrscheinlich werde ich zur Polizei gehen«, sagte sie. »Mal sehen, ob sich dort jemand dafür interessiert, was ich weiß. Manchmal kann das aber auch nach hinten losgehen. Nicht alle Polizisten sind so empfänglich für meine Hinweise wie die im Fall Nina. Manchmal werden sie richtig zickig, und die Spur, auf die man sie führt, ist die letzte, der sie nachgehen.« Sie lächelte. »Es gibt viele, die meine Fähigkeiten nicht ernst nehmen. Im Interesse Ihrer Frau hoffe ich, dass das bei ihr nicht der Fall ist.«
»Dann gehen Sie also auf jeden Fall zur Polizei«, sagte er, mehr zu sich als zu Keisha.
»Noch mal vielen Dank für –«
»Setzen Sie sich. Wenn Sie schon mal da sind, können Sie’s auch mir erzählen.«
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Acht
E r wurde aus diesem Weibsbild nicht schlau.
Wendell Garfield war ratlos. Hatte Keisha Ceylon wirklich Visionen? Die Geschichte mit der kleinen Nina klang recht glaubhaft, überzeugte ihn jedoch nicht wirklich, dass Keisha keine Schwindlerin war. Trotzdem hatte sie etwas an sich, dem er sich nicht ohne weiteres entziehen konnte.
Und das beunruhigte ihn.
Was wollte sie von ihm? Fieberhaft ging er die Möglichkeiten durch. Die Frau wollte ihn einfach nur abzocken. Etwas sagte ihm, dass das Thema Geld jeden Moment zur Sprache kommen würde. Ein verzweifelter Ehemann auf der Suche nach seiner vermissten Frau. Gab es ein besseres Opfer? Menschen in seiner Situation waren doch bestimmt nur allzu bereit, ein Medium, eine Hellseherin, eine Spiritistin, eine Expertin für Übersinnliches – als was auch immer diese Frau sich bezeichnete – zu Rate zu ziehen, selbst wenn sie davon überzeugt waren, die Chance, sie könne tatsächlich etwas wissen, stehe höchstens eins zu einer Million. Jemand, der seine Frau
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