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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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warm genug. Oder vielleicht … vielleicht hat sie sie ja verloren.«
    »Wie sollte sie ihre Jacke verlieren? Man muss doch nur aus dem Fenster sehen, dann weiß man, dass man eine Jacke braucht. Herrgott, da draußen liegt Schnee, bald zehn Zentimeter hoch.« Er ließ sich ins Sofa zurücksinken, sichtlich verärgert. »Und das soll mir jetzt weiterhelfen?«
    »Ich kann noch mal darauf zurückkommen«, sagte sie. »Wenn ich noch mehr empfange, dann ergibt das mit dem Frieren vielleicht irgendwann einen Sinn.«
    »Ich dachte, Sie hätten eine Vision gehabt. Schildern Sie mir doch lieber Ihre Vision, statt wie blöd am Morgenmantel meiner Frau rumzufummeln.«
    »Bitte, Mr. Garfield, meine Visionen sind doch nicht wie Sitcom-Episoden, die ich mir ansehe, um dann anderen erzählen zu können, was ich gesehen habe. Das sind Bilder, Momentaufnahmen, die kurz aufblitzen. Ein bisschen, als kippe man einen Schuhkarton voller Schnappschüsse auf einen Tisch. Das ist ein Durcheinander. Da gibt’s keine bestimmte Reihenfolge. Worum ich mich bemühe, ist sozusagen, diese Bilder zu ordnen. Wenn ich hier sitze, in dem Haus, in dem Ihre Frau ihre Spuren hinterlassen hat, etwas berühre, das sie berührt hat, kann ich diese Bilder Stück für Stück zusammensetzen, wie ein Puzzle.«
    »Wissen Sie, was ich glaube? Sie wollen mich verschaukeln. Ich glaube –«
    »Melissa.«
    »Was?«
    »Da ist was mit Melissa.«
    »Was ist mit Melissa?«
    »Ich sehe sie. Ich sehe Ihre Tochter. Und sie weint. Sie ist völlig außer sich.«
    »Natürlich ist sie außer sich. Ihre Mutter ist verschwunden.«
    »Aber schon davor. Sie hat große Probleme.«
    »Das habe ich Ihnen vorhin erzählt. Sie war schwierig. Ist mit sechzehn ausgezogen, und jetzt hat sie sich auch noch schwängern lassen. Da hat sie natürlich Probleme. Geniale Schlussfolgerung.«
    »Das ist nicht alles«, sagte Keisha.
    Garfield beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. Sehr interessiert. Keisha sah es mit Befriedigung. Noch ein paarmal kräftig ziehen, dann säße der Haken ganz fest in seiner Backe. Dabei hatte sie bisher nichts anderes getan, als Garfield Dinge zu erzählen, die er selbst wusste, die alle Welt wusste. Es war Winter. Er hatte eine schwangere Tochter. Ihre Mutter wurde vermisst. Wer wäre da nicht außer sich? Noch eine Minute, dann würde sie ihm mit der nächsten verblüffend naheliegenden Erkenntnis kommen – dem Auto. Aber erst würde sie ihn noch ein wenig mit der Tochter bei der Stange halten.
    »Was kommt denn noch?«
    »Das Baby …«
    »Was ist mit dem Baby?«
    »Erzählen Sie mir was über den Vater«, forderte Keisha ihn auf. Den Spieß umdrehen, ihn die Arbeit machen lassen, bei der ganz nebenbei ein paar Brocken abfielen, mit denen sie etwas anfangen konnte.
    »Lester Cody«, sagte Wendell Garfield und schüttelte resigniert den Kopf. »Ein Zahnarzt, verdient mehr als das Doppelte von dem, was ich verdiene, fährt einen Lexus. Ein verdammt guter Fang für Melissa, wenn sie nur endlich aufwachen und es kapieren würde. Aber nein! Sie
liebt
ihn nicht! Klar, er bringt vierzig Kilo Übergewicht auf die Waage und wird wahrscheinlich einen Herzinfarkt kriegen, bevor er vierzig ist, aber bis dahin könnte sie es sich bei ihm gutgehen lassen.« Er zeigte mit dem Finger auf Keisha. »Zur Ehe gehört mehr als nur Liebe. Ja, am Anfang ist das wichtig, aber danach kommt das tägliche Einerlei.
Da
muss man durch. Und davon wird sie bald reichlich haben, wenn das Baby erst da ist. Sie braucht diesen Mann. Finanziell und emotional.«
    »Und wie steht Ellie dazu?«
    Er blinzelte. »Sie, äh, sie sieht das genauso. Ich meine, zuerst hat sie sich natürlich aufgeregt, weil er doch um einiges älter ist, aber das gleicht sich aus mit der Zeit, und Melissa könnte es deutlich schlechter treffen. Mit diesem Typen aus der Bäckerei, zum Beispiel. Bloß nicht!«
    »Haben Ellie und dieser Mr. Cody … gab’s da vielleicht einen Zusammenstoß zwischen den beiden? Ich sehe da eine Art Gewitter, eine Auseinandersetzung.«
    Gewitter, ja, das war gut. Keisha war sich sicher, dass sie, hätte sie eine Tochter, die sich hatte schwängern lassen und den Vater des Kindes nicht heiraten wollte, alles tun würde, um diese zur Vernunft zu bringen, es sei denn, der Typ wäre das Letzte vom Letzten. Aber ein Zahnarzt? Was war da los? Was stimmte mit der Tochter nicht? Keisha würde den Mann wahrscheinlich beiseitenehmen und ihm ein paar Tipps geben, wie er das Herz ihrer

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