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Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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ihren Lebensunterhalt auf zwielichtige Art und Weise bestritt und sich von einem nomadisierenden Soldaten hatte schwängern lassen, der seinen Vaterpflichten nicht nachkam.
    Doch sosehr Caroline über ihre Cousine die Nase rümpfen mochte, ihren Großcousin Matthew ließ sie es nie spüren. Auch wenn die beiden sich nur selten sahen, vergaß Caroline doch nie, ihn an seinem Geburtstag anzurufen oder ihm zu Weihnachten eine Kleinigkeit zu schicken. Im vergangenen Jahr hatte sie ihm sogar ein paar Schokoladeneier zu Ostern geschickt.
    Mit Caroline und Earl wäre Matthew viel besser dran, dachte Keisha, auch wenn ich nicht im Gefängnis lande.
    Nein, nein, das stimmte nicht. Sie war eine gute Mutter, trotz ihrer Fehler. Sie liebte ihren Sohn mehr als alles auf der Welt, und er liebte sie. Und sie würden zusammenbleiben, solange es irgendwie ging.
    Sollte sie Caroline anrufen? Keisha überlegte, was sie Caroline sagen würde, wenn sie sie anrief. Dass sie Matthew umstandshalber vielleicht für ein paar Tage zu ihr schicken müsse. Und dort würde er dann auch bleiben können, falls die Polizei Keisha abholte. Sie würde ihn nicht hergeben. Caroline würde das Richtige tun. Darauf konnte Keisha sich verlassen.
    Mit solchen Überlegungen beschäftigt, sperrte sie ihre Haustür auf und ging ins Wohnzimmer. Da standen noch immer Kirks halbleere Bierflasche und die angebissene Cremerolle.
    Sie sah auf die Uhr. Matthew musste jetzt jeden Moment nach Hause kommen.
    Draußen schlug eine Autotür zu. Sekunden später ging die Haustür auf, und Kirk kam herein.
    »Scheiße«, sagte er, als er sie sah. »Ich hetze mich ab, damit ich es schaffe, bis der Kleine nach Hause kommt, dabei bist du eh schon da. Du hättest mich nicht vielleicht anrufen können?«
    »Ich bin gerade erst hier abgesetzt worden«, sagte Keisha. »Hast du’s hingekriegt? War der Sack noch da?«
    Er lächelte triumphierend. »Er war noch da.«
    Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Wenigstens einer aus der Sammlung, die dort bereits zusammengekommen war. »Gott sei Dank. Er war tatsächlich noch da? Ungeöffnet?«
    »Noch da. Ungeöffnet«, sagte Kirk. »Für wie unfähig hältst du mich eigentlich?«
    »Gut. Sehr gut. Danke.«
    »Hast du die fünf Riesen gekriegt?«
    Sie nickte müde. »Hab ich.«
    Er klatschte in die Hände. »Hat sie Bargeld geholt, wie ich ihr’s gesagt habe?«
    »Hat sie.«
    »Lass mal gucken.«
    Sie zeigte auf ihre Handtasche, die sie auf die Couch hatte fallen lassen. Gierig griff er danach, fand den Umschlag und warf einen Blick hinein. Er strich mit einem Finger über den oberen Rand der Scheine und hörte sie knistern. Keisha hätte ihm sagen können, er solle die Tasche nicht anrühren, es sei ihr Geld, nicht seines, aber sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Sie war ohnehin schon drauf und dran gewesen, es Gail zurückzugeben. Das Geld war im Moment das geringste ihrer Probleme.
    »Herrlich«, sagte er. »Hast du’s gezählt?«
    »Gail würde mich nicht betrügen.«
    »Wir sollten heute Abend feiern gehen«, sagte Kirk.
    »Mir ist nicht nach Feiern.«
    »Ach, komm schon. Ein bisschen Spaß wird dich schon nicht umbringen.«
    Keisha funkelte ihn an. »Geht’s noch?«
    »Häh?
    »Nach dem, was heute passiert ist? Ich
wäre
fast umgebracht worden! Und ein Mann
ist
gestorben. Diese Polizistin, diese Wedmore, schnüffelt mir hinterher, und ich glaube, sie weiß, was passiert ist. Und du willst ausgehen und feiern?«
    Er hatte das Geld aus dem Umschlag geholt und zu einem dicken Fächer ausgebreitet. »Man muss im Moment leben, Süße. Und in diesem Moment haben wir Kohle zum Abwinken.«
    »Ich hätte es fast zurückgegeben«, sagte sie leise.
    »Was?«
    »Ich hätte es fast zurückgegeben. Ich höre auf mit diesem Schwindel. Meinst du nicht, dass das heute eine Art Warnung war? Meinst du nicht, dass mir vielleicht jemand was sagen will?«
    Er lächelte höhnisch. »Ach, das ist doch Schwachsinn. Manchmal läuft’s halt nicht, wie’s soll. Und am nächsten Tag macht man wieder weiter.«
    Sie schüttelte den Kopf und ging in die Küche. Er trabte ihr hinterher und sagte: »Wo sollen wir denn hingehen? Na, sag schon. Die kleine Sackratte mag chinesisch. Gehen wir wohin, wo er gern hingeht.«
    »Er heißt Matthew.«
    »Komm schon, du weißt, dass ich nur rumblödle.«
    Sie lehnte sich an die Arbeitsplatte und seufzte. »Was hast du letztendlich damit gemacht?«
    »Mit was?«
    »Mit dem Sack. Wo hast du ihn hingebracht?«
    »Ach, der. Der ist

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