Frag Nicht - Kuess Mich
dass ich sie sehen möchte.“
Also öffnete Lara die Tür und bat Alessandro ins Haus. Im Flur brannte Licht und es duftete nach Möbelpolitur mit Zitrone. Neben der Tür befand sich eine Garderobe mit Spiegel. Ein kleiner gelber Regenmantel fiel Alessandro sofort ins Auge.
Lara führte ihn an einer Verandatür vorbei zu der Treppe im hinteren Bereich des Hauses. Auf dem Weg nach oben betrachtete er Kinderzeichnungen, die das Treppenhaus verzierten.
Mit jedem Schritt steigerte sich seine Anspannung.
Vor einer weiß gestrichenen Tür blieb Lara stehen und klopfte leise, bevor sie eintrat. Alessandro folgte ihr in ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer. Hinter einem Torbogen befanden sich Esszimmer und Küche, während sich auf der anderen Seite der Balkon anschloss, den er von der Straße aus gesehen hatte. Das Zimmer wurde von einem Kaminfeuer beheizt, und es war angenehm warm.
Flüchtig ließ Alessandro den Blick über Bücherregale und Zimmerpflanzen gleiten. Aber eigentlich interessierte ihn nur seine Tochter.
„Mum? Ich habe Alessandro mitgebracht.“
Alessandro wandte sich um und bemerkte Laras Mutter, die sich vom Sofa erhob, wo sie offensichtlich gelesen hatte. Nach einem kurzen Blickwechsel mit ihrer Tochter kam sie auf Alessandro zu, musterte ihn mit klugen blauen Augen und schüttelte ihm herzlich die Hand. „Schön, dass Sie da sind, Alessandro.“ Zu Lara gewandt, sagte sie: „Mach’s gut, Liebes.“ Sie küsste ihre Tochter flüchtig auf die Wange. „Bis morgen früh.“
Lara wünschte ihr eine gute Nacht, dann griff Greta nach ihren Sachen und zog die Tür hinter sich zu.
„Entschuldige mich einen Moment“, bat Lara und verließ das Zimmer durch eine andere Tür.
Schon kurz darauf kehrte sie zurück. „Alles in Ordnung. Sei bitte leise, damit sie nicht aufwacht.“
Alessandro nickte wortlos und folgte ihr. So nervös war er lange nicht mehr gewesen. Gleich würde er seine Tochter zum ersten Mal sehen. Für das Zimmer, in das Lara ihn bat, hatte er kaum einen Blick. Die Wände waren dunkelrosa und weiß gestrichen. Das kleine Himmelbett hätte einer Märchenprinzessin gehören können.
Hier schlief seine kleine Prinzessin. Ihm blieb fast das Herz stehen, als er sie nun endlich erblickte. Sie lag auf der Seite, sodass er sie nur im Profil sehen konnte.
Eine Fliegenpilzlampe tauchte das Zimmer in ein schummriges Licht. Alessandro sah Vivis dunkles Haar, ihren leicht geöffneten Mund und die unglaublich langen dunklen Wimpern, die wie ein perfekter Halbkreis auf ihrer zarten rosigen Wange lagen.
Ihre Schönheit war atemberaubend. Jetzt zuckten die Wimpern, und Vivi streckte einen Arm aus.
„Sie träumt“, wisperte Lara und rettete eine kleine Puppe aus dem Gefahrenbereich. Dann deckte sie ihre Tochter sorgsam zu und sah Alessandro fragend an.
Er erwachte aus seiner Abwesenheit und kehrte nach einem letzten Blick auf das friedlich schlafende Kind zurück ins Wohnzimmer. Dort verabschiedete er sich rasch von Lara, denn er musste jetzt mit seinen überwältigenden Gefühlen allein sein.
13. KAPITEL
Am nächsten Morgen erwachte Lara mit dem Gedanken, dass sich etwas Grundlegendes in ihrem Leben verändert hatte. Nun war sie zwischen Hoffen und Bangen hin- und hergerissen. Einerseits wünschte sie sich eine glückliche Familie mit Alessandro und Vivi. Andererseits wusste sie nicht, ob sie ihm vertrauen konnte. Auch vor sechs Jahren hatte er ewige Liebe geschworen und war dann, wie er selbst zugegeben hatte, nicht zum verabredeten Zeitpunkt erschienen. Woher sollte sie wissen, dass er es dieses Mal ernst meinte?
Als Alessandro in der vergangenen Nacht seine Tochter im Schlaf gesehen hatte, war er so entzückt und hingerissen gewesen, dass ihm die Worte fehlten. Vermutlich deshalb hatte er sich so schnell wieder verabschiedet. Mit diesen überwältigenden Gefühlen, mit dem Vaterstolz, musste er erst einmal zurechtkommen.
Ob der Marchese der Venezianischen Inseln sich entschließen könnte, seinen hektischen Lebensstil aufzugeben, der ihn ständig von einem Kontinent zum nächsten verschlug? Für ein geordnetes Familienleben wäre das die Voraussetzung.
Träum weiter, dachte Lara und trocknete sich wehmütig ihre Tränen.
Vivi war schon lange wach. Lara hörte, wie sie Kylie Minogue etwas vorsang und die Puppe anschließend ermahnte, gerade zu sitzen und zuzuhören, sonst würde sie in die Ecke verbannt.
Lara stand auf, um ihrem kleinen Liebling einen guten Morgen zu wünschen,
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