Frag Nicht - Kuess Mich
bevor sie im Badezimmer verschwand.
Unter der Dusche dachte sie über die Ereignisse der vergangenen vierundzwanzig Stunden nach. Alessandros Ehe war also aufgelöst worden. Das hieß aber nicht, dass er seitdem keine intimen Beziehungen gehabt hatte. Machte ihr das etwas aus?
Nein. Nur diese Geschichte mit Guilia nagte an ihr. Sie trocknete sich ab, hüllte sich in einen Bademantel und bügelte erst ihre Bluse, und anschließend Vivis Schuluniform. Währenddessen strich sich die Kleine extra viel Vegemite, eine australische Spezialität, auf ihr Toastbrot. Gespannt wartete Lara auf ihre Reaktion, als sie ein Stück abbiss, und lächelte mitfühlend, als ihre Tochter angewidert das Gesicht verzog.
Im Verlag musste Lara sich durch einen riesigen Stapel Manuskripte arbeiten, die hoffnungsvolle Autoren dem Verlag zugeschickt hatten. Sie war viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und konnte sich kaum auf die Lektüre konzentrieren. Der Stapel wurde einfach nicht kleiner. Nun las sie dieselbe Seite schon zum dritten Mal und hatte kein Wort aufgenommen. Hoffnungslos, befand sie, und beförderte das Manuskript in den Papierkorb.
Lara schlug das nächste Meisterwerk auf, wobei sie gleichzeitig an Alessandros merkwürdigen Gesichtsausdruck vom letzten Abend dachte, als er sich so überstürzt verabschiedet hatte. Er hatte so in sich gekehrt und geistesabwesend gewirkt.
Wie gern wüsste sie, wie er sich heute fühlte.
Ich muss ihn sehen, dann weiß ich, was los ist, dachte sie, als sie diese Ungewissheit nicht länger aushalten konnte.
Alessandro arbeitete ja nur einige Türen von ihr entfernt, doch sie konnte schließlich nicht einfach unangemeldet in sein Büro platzen. Erstens führte er Bewerbungsgespräche für den Posten des neuen Geschäftsführers, und zweitens ließ Donatuila ihn keine Sekunde aus den Augen.
Nervös trommelte Lara mit den Fingern auf dem Manuskript herum. Bald war Alessandro wieder fort. Diese Tatsache löste Panik bei ihr aus. Langsam wurde die Zeit knapp. Wenn er erst einmal im Flugzeug saß, war alles vorbei. Ihre Freude über das Wiedersehen, darüber, wieder mit ihm zusammen zu sein, die Leidenschaft, alles verlor dann wieder an Bedeutung. Wenn Alessandro erneut aus ihrem Leben verschwand, würde sie in ihr leidenschaftsloses Leben zurückkehren.
Sie durfte Alessandro nicht noch einmal verlieren. Das könnte sie nicht ertragen.
Lara schlug eine Seite um und stolperte über einen merkwürdigen Satz. Auch bei eingehender Betrachtung ergab er keinen Sinn. Hatten diese Autoren noch nie etwas von Zeichensetzung gehört?
Verärgert griff sie nach dem nächsten Manuskript, als das Telefon klingelte. Sie erschrak, riss sich zusammen und nahm aufgeregt den Hörer ab.
„Lara?“ Alessandros tiefe Stimme drang in ihr Ohr. „Könntest du bitte kurz in mein Büro kommen?“
„Selbstverständlich“, antwortete sie und versuchte, dabei ruhig zu bleiben.
Doch sie versagte kläglich. Mit bebender Hand legte sie den Hörer auf. Jetzt ging es um ihre Zukunft. Nach einigen Sekunden, in denen sie die neugierigen Blicke ihres Kollegen Josh sorgfältig mied, stand sie auf, brachte Rock, Bluse und Blazer in Ordnung und machte sich auf den Weg.
Alessandro erwartete sie bereits an seiner Bürotür. Vergeblich versuchte Lara, seine verschlossene Miene zu deuten.
„Guten Morgen, Lara.“
Lara. Nicht Larissa oder Carissima oder tesoro . Gestern hatten sie sich stürmisch geliebt, heute war er wieder nur ihr Boss.
Der Duft eines teuren Aftershave umwehte ihn. In dem dunklen Anzug und dem blauen Hemd wirkte er so verführerisch, dass Lara ihn unter anderen Umständen spontan leidenschaftlich geküsst hätte.
Heute Morgen war er ganz der adlige Marchese. Kaum zu glauben, dass so ein weltgewandter, attraktiver Mann ausgerechnet sie begehrte.
Wahrscheinlich hatte sie die Ereignisse der vergangenen Nacht nur geträumt.
Lara hielt sich zwar auf den Beinen, innerlich jedoch war sie das reinste Nervenbündel.
„Du … du wolltest mich sprechen, Alessandro?“, fragte sie leise. „Worum geht es?“
Forschend ließ er den Blick über ihr Gesicht gleiten, dann senkte er die Lider und wählte sorgfältig seine Worte.
Angsterfüllt wartete Lara auf seine Antwort.
„Ich habe nachgedacht. Ich möchte Vivi kennenlernen.“
„Oh.“ Der Schock in Lara saß tief. Aufgeregt begann ihr Herz zu pochen. Ihre Kehle wurde trocken. „Gut“, fügte sie schnell hinzu. „Bist du sicher? Was bezweckst
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