Frag Nicht - Kuess Mich
du damit, Sandro? Ist dir bewusst, welche Tragweite dieser Entschluss für Vivi haben kann?“ Ihr versagte fast die Stimme.
„Ich muss sie kennenlernen, Carissima . Wovor hast du solche Angst? Die vergangene Nacht – und ich meine den ganzen Abend und die Nacht – hat mich unglaublich aufgewühlt.“
Tränen schimmerten in Laras Augen. „Also gut“, sagte sie widerstrebend. „Und was passiert danach? Du fliegst zurück ans andere Ende der Welt und wir sehen dich nie wieder?“
„Nein, so wird es nicht sein.“
„Wie dann?“ Nervös spielte sie mit ihren Hände. „Wenn sie dich kennenlernt und du sie verlässt und niemals wiederkommst, wäre das schlimmer für sie, als wenn sie dich überhaupt nicht kennen würde.“
Schockiert musterte Alessandro sie und umfasste ihre Schultern. „Wieso hast du so eine schlechte Meinung von mir, Lara? Warum sollte ich mich so verhalten? Meinst du, ich würde sie einfach vergessen?“
„Ich weiß es nicht. Mich hast du ja auch vergessen.“
„Wie bitte?“ Verständnislos sah er sie an.
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Gerade noch rechtzeitig ließ Alessandro Lara los, da stürmte Donatuila auch schon in sein Büro.
„Der nächste Kandidat ist da, Mr. Vincenti.“ Sie blieb abrupt stehen, als sie Lara entdeckte. „Entschuldigung. Komme ich ungelegen?“
„Nein, nein.“ Lara fuhr herum und marschierte schnurstracks zur Tür. „Ich wollte sowieso gerade gehen.“
Lara verschwand im Waschraum und schloss sich in eine Kabine ein, bis die Tränen versiegt waren und sie aufhörte zu zittern.
War das nicht typisch? Sie war kurz davor gewesen, das vielleicht wichtigste Gespräch ihres Lebens zu führen, und prompt wurde es unterbrochen.
Schließlich stand Lara auf, betrachtete prüfend ihr Spiegelbild und schüttelte den Kopf. Man sah ihr an, dass sie geweint hatte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt!
Sie kehrte zurück an ihren Arbeitsplatz und widmete sich dem nächsten Manuskript. Nicht ein einziges Mal sah sie auf. Vermutlich hatten die Kollegen bemerkt, dass etwas nicht stimmte, ließen sie jedoch in Ruhe.
Um die Mittagszeit meldete sich plötzlich ihr Handy in der Handtasche. Besorgt kramte Lara es hervor. Wahrscheinlich war es ihre Mutter, die sie bat, Vivi von der Schule abzuholen. Doch die Nachricht war nicht von ihrer Mutter.
Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie die SMS las, die Alessandro ihr geschickt hatte: Wir treffen uns in der Lobby.
Auf in die nächste Runde, dachte Lara und straffte ihre Schultern. Inzwischen war sie wieder ruhiger geworden, hatte Kaffee getrunken, und ihre Augen waren auch nicht mehr gerötet. Außerdem hatte sie Zeit zum Nachdenken gehabt. Es war doch ein gutes Zeichen, dass Alessandro Vivi sehen wollte, oder?
Nach einem Kurzbesuch im Waschraum fühlte sie sich gewappnet, Alessandro erneut gegenüberzutreten.
Alessandro stand bereits am Ausgang und unterhielt sich mit einem Mitarbeiter der Vertriebsabteilung. Als Lara den Fahrstuhl verließ, blickte er kurz in ihre Richtung. Da sie die Gerüchteküche nicht noch mehr anheizen wollte, ging sie wortlos an ihm vorbei und hinaus auf die Straße.
Einige Minuten später hörte sie energische Schritte hinter sich. Alessandro hatte sie eingeholt.
„Alles in Ordnung?“ Besorgt musterte er sie.
„Ja. Zumindest hoffe ich das.“
„Entschuldige wegen vorhin, tesoro . Ich habe den ganzen Tag versucht, mir Zeit für dich zu nehmen, aber im Büro kann man sich einfach nicht ungestört unterhalten. Mal sehen, ob es hier irgendwo eine Möglichkeit gibt.“ Entschlossen schob er Lara einige Schritte weiter unter einen Rollladen, der ein Café und den Blumenladen daneben beschattete. Neben einem riesigen Eimer duftender Levkojen blieb Lara stehen und schaute sich um. Sie hatte den Eindruck, der Frühling wäre eingekehrt. Ein betäubender Duft von Freesien, Narzissen und Osterglocken umgab sie.
Alessandro sah auf seine Armbanduhr und verzog das Gesicht. „Es ist mir gelungen für heute Abend Karten für die Oper zu bekommen. Hast du Lust, mich zu begleiten? Wir könnten die Musik genießen, und anschließend essen wir irgendwo zu Abend und treffen unsere Vereinbarungen.“
„Welche Vereinbarungen?“, fragte Lara misstrauisch.
„Wie mein Treffen mit Vivi am besten vonstatten gehen kann“, erklärte er mit fester Stimme. „Du musst sie ja darauf vorbereiten. Und wir sollten vereinbaren, wann und wo das Treffen stattfinden soll. Wir wollen doch, dass es eine gute
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