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Fragmente des Wahns

Fragmente des Wahns

Titel: Fragmente des Wahns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Schmid
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nach Hause …
     
     
    Andreas war es, der die Tür ins Hausinnere öffnete. Sie hatten keinen richtigen Flur, weshalb sie sofort im Wohnzimmer standen, das auch als Esszimmer genutzt wurde. Wofür gab es schließlich den Sofatisch?
    Alex roch es sofort. Er hatte in den letzten beiden Jahren eine richtig feine Nase dafür entwickelt. Er hatte eindeutig wieder viel zu viel getrunken. Der beißende Geruch lag in der gesamten Wohnung und machte einen allein vom Inhalieren betrunken.
    „Hey, seid ihr das?“, lallte ihr Vater ihnen entgegen. „Macht mir sofort was zu essen. Ich verhungere ja schon.“
    Ihr Vater saß in dreckigen, rot-weiß gestreiften Boxershorts und einem fettigen, grauen Unterhemd auf dem durchgelegenen Sofa und starrte mit einer halb leeren Flasche Bier in der Hand in den Fernseher. Wie jeden Tag, seitdem er arbeitslos geworden war. Seinen Job als Lagerist hatte er vor zwei Monaten verloren, nachdem er jeden Tag besoffen erschienen war und mit dem Stapler einmal drei Regale demoliert hatte.
    Einst hatte es für ihren Vater nur drei Dinge im Leben gegeben; die Arbeit, das Saufen und das Vergnügen. Nun war es das Saufen, das Fressen und die Glotze. Ein wirklich trauriger Anblick, den ihr Vater bot.
    „Hey, wo bleibt ihr denn?“, fragte er in einem schärferen Ton. „Ich sagte doch gerade …“
    „Bin schon da, Papa“, warf Alex ein und trat vor seinen alten Herrn. Dieses Papa fühlte sich wie Galle in seinem Mund an. Er hätte sich am liebsten übergeben. „Ich mach gleich das Abendessen.“
    Alex sah seinem kleinen Bruder eindringlich in die unschuldigen, hellgrünen Augen und bedeutete ihm dadurch, ihm unverzüglich zu folgen. Andreas konnte es vielleicht nicht sehen, aber Alex dafür umso deutlicher. Ihr Vater stand kurz davor .
    Zum Glück verstand Andreas und folgte seinem großen Bruder in die Küche. Alex stellte zwei Pfannen auf den Herd, ließ das Fett schmelzen und briet drei Scheiben Leberkäse. Dann schlug er drei Eier in die Pfanne und servierte sie als Spiegeleier auf dem warmen Leberkäse. Dazu gab es Semmeln von gestern. Nicht mehr ganz frisch, aber essbar.
    Sie gingen zurück ins Wohnzimmer. Andreas trug seinen Teller allein, Alex hatte den für ihren Vater und seinen eigenen Teller in den Händen. Er stellte sie auf den Sofatisch, ehe er das Besteck holte und verteilte. Sie aßen still. Ab und an schimpfte ihr Vater über den Scheiß im Fernsehen.
    Alex schaufelte das Abendessen regelrecht in sich hinein. Er wollte so schnell wie möglich von seinem Vater fort und mit Andreas in ihr Kinderzimmer, bis sich die Situation ein wenig gebessert hatte.
    Leider schafften sie es nicht rechtzeitig.
    Andreas war es, der seinen Mund nicht halten konnte. Doch wollte man es ihm verübeln? Er war vierzehn und verstand zwar einigermaßen die derzeitige Situation, in der sie sich befanden, aber trotz alledem war er immer noch zu jung und naiv, um das Ausmaß wahrzunehmen oder zu begreifen.
    Ihr Vater schimpfte gerade über einen fetten Schauspieler in einer Serie, als Andreas seine Stimme erhob: „Was ist denn, Papa. Der ist doch lustig.“
    Es war zu spät. Alex hätte nichts mehr tun können. Zumindest sagte er sich das seit jenem Tag immer, wenn er daran denken musste.
    „Ach so, das findet er also lustig?“, begann ihr Vater auszurasten. „Und was genau findest du daran so komisch?! Findest du vielleicht auch unser Leben so komisch?! Oder mich?!“
    Dann begann es. Alex konnte es regelrecht sehen, bevor es passierte.
    Ihr Vater nahm seinen Teller, es war noch immer etwas von dem Essen darauf und schleuderte ihn mit Karacho gegen die Wand vor ihm. Die Scherben flogen in sämtliche Richtungen davon und fielen wie ein Regen über den Fernseher hinab. Dann schlug er mit der rechten Faust in den Teller von Andreas.
    „Findest du das etwa auch komisch?!“, brüllte er weiter.
    Nun sah er voller Wut in Andreas’ Augen. Er hatte so viel Angst und ihr Vater erkannte nichts von alldem. Er war völlig der Raserei verfallen.
    „Nicht, Papa“, flüsterte Alex, denn mehr war nicht möglich. Seine Stimme versagte.
    Doch es hätte sowieso nichts geändert. Ihr Vater hatte nicht ein Wort wahrgenommen. Er war dazu gar nicht mehr in der Lage. Und dann sah er es. Alex sah den Anfang der Bewegung. Dann konnte er nicht mehr anders.
    Andreas schloss verängstigt die Augen, wartete auf den Schmerz und nahm das gewaltige Klatschen wahr, doch der Schmerz blieb aus. Er hob zögerlich seine Lider und sah

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