Fragmente des Wahns
bemerkte Lisas besorgten und enttäuschten Blick, der wiederum Alex traurig stimmte. Er wusste genau, was sie dachte und bedrückte.
„Es ist nicht, was du denkst. Ich habe nicht über den Anruf oder sonst was in der Art gedacht. Es ging allein um meinen wachsenden Bauch.“
„Macht er dir denn immer noch Angst?“
„Und wie. Er zeigt mir, wie alt ich werde.“
„Was heißt hier werden ?“
„Hey!“ Alex gab Lisa einen sanften Stoß in die Magengegend. Dann mussten beide herzhaft lachen. Endlich schien alles wie früher.
„Und hast du wirklich nicht mehr an den Anruf meiner Mama gedacht?“
Da war es wieder. Würde es denn nie enden? Konnte er kein normales Leben mehr führen?
„Nein, wirklich nicht.“
Es war die Wahrheit.
„Hast du dich nie gefragt, wer diese Frau gewesen sein könnte, die du gehört hast?“
„Ich dachte, es sei deine Mutter.“
„Du weißt genau, wie ich es gemeint habe, Alex.“ Sie wirkte genervt und er konnte es nachvollziehen. Er war es ebenfalls.
„Natürlich habe ich darüber nachgedacht. Oft. Vor allem während des Telefonats. Doch ich konnte mich nicht erinnern.“
Doch es stimmte nicht ganz. Es gab einen Moment. Es war nur eine Sekunde gewesen und doch hatte sie ausgereicht, um ihn gänzlich aus der Fassung zu bringen.
Sie hatte sich angehört wie meine Mutter.
Alex würde diesen Satz nie in den Mund nehmen. Es war verrückt. Seine Mutter war tot, seit so vielen Jahren und würde ihn daher niemals anrufen können. Es musste Barbara gewesen sein, von Anfang an. Egal was der Grund war, dass sie sich nicht verstanden hatten, es änderte nichts an der Tatsache, dass es definitiv nicht seine verstorbene Mutter gewesen war.
„Bereitet es dir Kopfzerbrechen?“, wollte Lisa wissen und unterbrach dabei Alex Gedankengang. Er hatte nichts dagegen.
„Ein wenig. Doch um ehrlich zu sein, will ich einfach nicht mehr daran denken und einfach alles vergessen. Ich möchte so weiterleben wie vor dem Unfall. Kannst du das verstehen?“
„Klar kann ich das. Es ist nur, wir können doch nicht alles einfach unter den Teppich kehren. Wer weiß, warum all das gerade passiert. Ich will doch nur, dass dir nichts geschieht. Kannst du das denn verstehen?“
Oh ja, das konnte er.
„Wie versprochen, ich werde mich bessern, Lisa. Gib mir noch ein wenig Zeit. Bald bin ich soweit … versprochen.“
Sie verstand, worauf ihr Mann hinaus wollte und ging auf diese Versöhnung auf ihre Art ein.
„Wollen wir noch ein wenig kuscheln und den Film zu Ende schauen?“
„Gerne“, antwortete Alex und lächelte Lisa an, ehe er seine Arme um sie legte.
Gerade kam die Szene, wo der Engel seine Unsterblichkeit für seine große Liebe opferte und Alex konnte bei seinem Sturz auf die Erde nur daran denken, dass auch er für Lisa sterben würde. Er würde alles für sie tun.
Die Zeit der Entscheidung würde kommen. Sie klopfte bereits an seine Tür.
Der weiße Sand unter seinen nackten Füßen fühlte sich einfach fantastisch an. Alex wusste gar nicht mehr, wann er das letzte Mal so ausgeglichen und entspannt war. Dieser Spontanurlaub nach Italien war genau die richtige Idee seiner Verlobten gewesen.
Lilli krabbelte gerade an ihm vorbei. Dabei tat sie das nicht wie normale Kinder in ihrem Alter, sondern mit hochgerecktem Hinterteil, wodurch sie wie ein tollpatschiger Babyelefant wirkte.
Ihr braunes, noch kurzes Haar hatte sich vor etwa einem Monat angefangen zu kräuseln und das veranlasste Lilli immer öfters, sich mit den Fingern durch die Haare zu fahren und sie dabei noch mehr zu verdrehen. Eine Angewohnheit, die Alex bezaubernd an seiner einjährigen Tochter fand.
Er sah Lilli noch kurz bei ihrer Stranderkundung zu, ehe er sich genüsslich in die Liege sinken ließ. Seine Beine versanken daraufhin im Sand. Lisa lag links neben ihm. Ihr Gesicht war durch einen dieser großen Strohhüte verdeckt. Er konnte lediglich ihre schulterlangen, schwarzen Haare bewundern.
„Hab ich dir heute eigentlich schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?“
Lisa richtete sich auf, nahm ihren Strohhut vom Kopf und legte ihn achtlos in den Sand neben ihr. Sie sah ihren Mann mit ihren unvergleichlichen, grünen Augen an und hypnotisierte ihn damit regelrecht. Alex nannte sie immer seine Smaragde.
„Bestimmt, aber ich kann es immer wieder hören.“
Das Rot ihrer Lippen, seine geliebte Schneewittchen, er konnte gar nicht anders, als sie zu küssen.
Alex hielt die Augen während des Kusses
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