Fragmente: Partials 2 (German Edition)
führte, und blickten auf die Häuser, Parks und überfluteten Schulhöfe hinab. Auf dem Wasser schimmerten Ölflecken in der Morgensonne. Hier und dort strömte sogar ein Fluss zwischen den Gebäuden dahin, was bewies, wie hoch der Grundwasserspiegel eigentlich war. Kira konnte kaum glauben, dass die Stadt einmal trocken gewesen sein sollte. Die Bewohner der alten Welt hatten anscheinend einen ungeheuren Aufwand betrieben, um den See, die Flüsse und das Grundwasser im Zaum zu halten. Wenn sie daran dachte, dass sie so erstaunliche Vorfahren hatte, empfand sie, beinahe wie Afa am vergangenen Tag, einen gewissen Stolz. Die Menschen waren intelligent, fähig und entschlossen gewesen und hatten es geschafft, das Meer zurückzuhalten und die Laufrichtung von Flüssen umzukehren. Sie hatten das sumpfige Ufer in eine riesige Stadt verwandelt. Auf diese Leistung waren sie mit Recht stolz gewesen.
Aber konnte übertriebener Stolz nicht auch aus dem Ruder laufen? Konnte eine so erstaunliche Zivilisation nicht auch den Bogen überspannen und etwas tun, das besser nicht getan worden wäre? Waren die Menschen bei einem Opfer, einem Kompromiss oder einer Rechtfertigung einen entscheidenden Schritt zu weit gegangen? Wenn eine so gewaltige Stadt gebaut werden konnte, war der Schritt zur Erschaffung einer Person nicht mehr weit. Wenn ein See in Schranken gehalten werden konnte, warum sollte dann nicht ebenso gut die gesamte Einwohnerschaft in Schranken gehalten werden? Warum sollte es jemals wieder Krankheiten geben, wenn man sich die Natur selbst untertan machen konnte?
Kira dachte über den Trust nach, über die Geheimpläne und die verborgenen Absichten. Über die Sicherung. Was war die Sicherung genau? Wollten diese Leute die Welt retten oder zerstören? Die Antworten ruhten im Rechenzentrum, das mittlerweile zum Greifen nahe gerückt war.
Sie folgten dem Interstate 90 fast schnurgerade nach Nordosten, bis er nach Westen abbog und mit dem Interstate 94 zusammentraf. Zu ihrem Entsetzen neigte sich die Straße wieder und verlief schließlich sogar unterhalb des Straßenniveaus – zwar nicht unterirdisch, aber deutlich abgesenkt. Der ehemalige Highway war hier ein träger Fluss, aus dem nur noch die Dächer der größten Lastwagen hervorragten.
»Wir müssen umkehren«, meinte Samm.
»Und was dann?«, fragte Heron. »Willst du durch die normalen Straßen laufen? Du hast die Löcher gesehen, an denen wir auf dem Weg zum Flughafen vorbeigekommen sind. Hier steht überall Wasser, und wir wissen nie, ob wir festen Untergrund unter den Füßen haben oder unversehens in eine tiefe Grube stürzen.«
Kira betrachtete die Stadt, dann wieder den Fluss. »So weit können die Pferde nicht schwimmen.«
»Es sind mehrere Kilometer«, bestätigte Heron.
»Suchen wir uns ein Boot!«, schlug Afa vor.
Kira musterte ihn zweifelnd. »Bist du sicher?«
»Diese Straße führt doch zum Rechenzentrum, richtig? Hier ist es tief genug für ein Boot. Also lassen wir die Pferde stehen und suchen uns ein Boot.«
Samm nickte. »Zugegeben, ein ziemlich guter Einfall! Lasst uns etwas suchen, das schwimmt und uns trägt.«
Kira lenkte Bobo an den Rand des Highways und sah sich aufmerksam um. Hier an der Kreuzung war der Highway geradezu lächerlich breit – es gab mehr als ein Dutzend Fahrspuren, und er verlief fast auf dem Niveau der umliegenden Straßen. Im Norden lag ein Bahnhof, im Süden ein Wohnviertel. Dort ließ sich vermutlich tatsächlich ein Boot auftreiben. Kira glitt von Bobos Rücken, streckte die Beine und nahm das Gewehr an sich. »Einer von euch kommt mit mir. Ich bin gespannt, was wir hier finden.«
»Ich begleite dich«, bot sich Samm an. Er sprang vom Pferd und folgte Kira. Mit seinen langen, geschmeidigen Beinen hielt er mühelos Schritt mit ihr. Sie stiegen über die Betonbarriere, dann über eine weitere und schließlich über eine dritte. Unzählige Straßen und Gassen liefen hier kreuz und quer durcheinander. »Das ist ein guter Plan«, sagte Samm.
Kira schwang sich gerade wieder über eine Barriere. »Das Boot? Afa ist kein Trottel.«
»Ich glaube, ich habe ihm unrecht getan.«
Kira lächelte. »Nun übertreib’s nicht gleich wegen eines einzigen guten Einfalls!«
»Das ist es nicht allein«, erwiderte er. »Er ist stärker, als ich dachte. Zumindest widerstandsfähiger.« Er folgte ihr über die Barriere.
Kira nickte abwesend und nahm die Bäume am Straßenrand in Augenschein. »Er hat viel durchgemacht.«
»Er
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