Fragmente: Partials 2 (German Edition)

war elf Jahre allein, ist weggelaufen und hat sich versteckt. Keiner half ihm oder hörte ihm zu«, sagte Samm. »Kein Wunder, dass sich sein Geist verwirrt hat.« Er zuckte mit den Achseln. »Er ist ja nur ein Mensch.«
    Kira blieb wie angewurzelt stehen. »Warte!« Sie wandte sich zu ihm um. »Du sagst … du meinst, es sei in Ordnung, dass er spinnt? Weil er ein Mensch ist?«
    »Ich sage, dass er sich viel besser geschlagen hat, als es vielen anderen Menschen gelungen wäre.«
    »Trotzdem glaubst du, es sei von Nachteil, ein Mensch zu sein«, sagte Kira. »Seine Menschlichkeit macht seine Defizite irgendwie verständlich und außerdem … Nun ja, er macht sich wenigstens nicht dauernd in die Hose.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber gedacht«, erwiderte Kira. »Hast du mich genauso eingeschätzt? Für ein menschliches Mädchen ist sie eigentlich ganz hübsch?«
    »Du bist eine Partial.«
    »Das wusstest du damals noch nicht.«
    »Wir sind dazu geschaffen, vollkommen zu sein«, erklärte Samm. »Wir sind stärker, klüger und fähiger als die Menschen, weil wir so erschaffen wurden. Ich verstehe nicht, warum ich das nicht laut aussprechen darf.«
    Kira wandte sich ab und sprang über die letzte Barriere. Dahinter landete sie mit lautem Platschen im Schlamm. »Und dann fragst du dich, warum dich die Menschen hassen.«
    »Warte!« Samm folgte ihr auf dem Fuß. »Was ist eigentlich los? Sonst wirst du nicht so wütend.«
    »Sonst machst du auch keine rassistischen Bemerkungen über die Dummheit der Menschen.«
    »Heron tut das auch, aber ihr reißt du den Kopf nicht ab«, erwiderte Samm.
    Sie fuhr zu ihm herum. »Dann erbittest du meine Erlaubnis, uns zu hassen? Geht es dir darum? Bin ich ungerecht dir gegenüber?«
    »Das ist nicht …« Er ließ den Satz unvollendet. »Ah!«
    » Ah? Was heißt hier Ah ?«
    »Ich verstehe, worum es geht, und ich entschuldige mich, weil ich es zur Sprache gebracht habe.«
    »Ich habe dir bereits erklärt, worum es geht. Versuch ja nicht, die Schuld von deinen perfekt modellierten Schultern abzuwerfen.«
    »Du sagst immer noch wir , wenn du von den Menschen sprichst«, erwiderte er leise. »Du identifizierst dich immer noch mit ihnen.«
    »Aber natürlich identifiziere ich mich mit ihnen«, entgegnete sie. »Das nennen die Menschen Empathie. Wir Menschen tun das einfach. Wir identifizieren uns miteinander, weil uns die anderen wichtig sind. Offensichtlich hat Heron überhaupt kein Herz, aber du … Ich dachte, du seist anders. Du …« Sie brach mitten im Satz ab. Wie konnte sie ihm erklären, dass sie sich verraten fühlte, wenn er so über die Menschen sprach, die sie liebte? Wenn er einfach nicht verstand, wie schrecklich seine Haltung war? Sie kehrte ihm den Rücken zu und entfernte sich.
    »Es tut mir leid«, sagte er hinter ihr. »Aber Heron hat recht. Du musst dich als die annehmen, die du bist.«
    Kira hob beide Hände. »Dann soll ich mich also für die eine oder die andere Seite entscheiden?«, rief sie zurück, ohne sich umzudrehen. Sie weinte, heiße Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »Damit du glücklich sein kannst«, sagte Samm. »Sonst zerreißt du dich selbst.«

22
    Sie brauchten eine Stunde, um ein Boot aufzutreiben. Abgesehen von einsilbigen Rufen wie »Hier!« und »Dort!« wechselten sie kein einziges Wort mehr. Das kleine Motorboot maß von Bug bis Heck höchstens vier Meter. Es ruhte auf einem Anhänger und stand in einem Hinterhof, auf dem zwischen Trucks und Geländewagen kaum noch Platz war. Kiras Stiefel platschten im flachen Wasser, als sie es umrundete und sich überlegte, wie es befestigt war, wie sie es losmachen sollten, wo sie einen Truck wegschieben oder ein Loch in den Zaun brechen konnten, um das Boot vom Hof zu schaffen. Anscheinend gab es keine einfache Methode. Sie kochte innerlich, denn sie war immer noch wütend auf Samm. Nach einer Weile überwand sie sich und sprach mit ihm, ohne ihn anzublicken.
    »Ich fürchte, wir bekommen das Boot hier nicht heraus.«
    »Das sehe ich auch so.« Seine Stimme klang ruhig und verriet keinerlei Gefühl, doch so verhielt er sich immer. War er ebenso wütend auf sie wie sie auf ihn? Die Vorstellung, dass ihn die Diskussion möglicherweise kaltließ, machte sie sogar noch zorniger.
    »Wer hier gelebt hat, war offenbar gern in der Natur unterwegs.« Samms Blick wanderte über die Dirt Bikes und Wohnwagen, die neben dem eingekeilten Boot herumstanden. »Vielleicht hat er noch ein kleineres Boot in der