Fragmente: Partials 2 (German Edition)
sie die ganze Prärie zu beleuchten schienen. Die Gefährten lagerten auf freiem Feld und brieten Kaninchen, die Heron mit einer Schlinge gefangen hatte. Kira schloss die Augen und tat so, als wäre die Welt nicht untergegangen, als wäre dies erst der Anfang und als wäre die ganze Welt am nächsten Morgen wie dieser Ort: heil und unversehrt, nicht verschandelt durch die Eingriffe der Menschen, die Rebellion der Partials und irgendwelche Anzeichen von Zivilisation. Sie schlief ein und träumte von der Dunkelheit.
Am nächsten Tag entdeckten sie den ersten vergifteten Baum.
Der Wind wehte aus einer anderen Richtung. Mit jedem Kilometer, den sie weiterkamen, wich der kräftige Ostwind von den großen Seen den südlichen Luftströmungen aus dem Golf von Mexiko. Noch roch die Luft sauber, doch der verdrehte, verstümmelte und strahlend weiße Baum war der erste Hinweis, dass der unbeschwerte Abschnitt der Reise nun hinter ihnen lag. Sie näherten sich dem vergifteten Ödland.
Am zweiten Tag roch sie es auch – zuerst war es nur ein Hauch, nicht mehr als eine kurze Bö, die ihr der Wind ins Gesicht trieb. Ein säuerlicher, leicht metallischer Geruch hing in der giftigen Luft, eine Mischung aus Schwefel, Rauch und Ozon. Es war nur eine kurze Andeutung, dann war es vorbei. Am nächsten Morgen hatte sie den Geruch schon beim Erwachen in der Nase. Er hielt sich fast den ganzen Tag über, und hier und dort standen weitere gebleichte Bäume wie gespenstische Skelette in den Wäldchen am Straßenrand. Das Gras, das sich im Windschatten der Zaunpfähle halten konnte, war bleich, zottelig und dem Verdorren nahe, und mit jedem Tag wurde es schlimmer. Die nächste Stadt, die sie erreichten, hieß Ottumwa. Dort hatten sich auf den Straßen, an den Wänden und auf den Dächern chemische Rückstände abgelagert. Also schien selbst das Regenwasser ätzend und tödlich zu sein. Mitten durch die Stadt verlief ein Fluss, allerdings nicht annähernd so breit wie der Mississippi und mit erheblich weniger beeindruckenden Brücken gesegnet, die zudem alle eingestürzt waren. Ob dies nun an früheren Sabotageakten oder an der erbarmungslosen Witterung lag, vermochte Kira nicht zu sagen. Das Wasser wirkte immerhin sauber, zumal es von Norden kam, wo das Land nicht so stark verseucht war. Sie rasteten einige Stunden und durchsuchten die baufälligen Läden und Restaurants nach nützlichen Medikamenten und Konserven, die noch brauchbar zu sein schienen. Heron war eine gute Jägerin, doch seit sie in das Ödland eingedrungen waren, konnten sie nicht mehr bedenkenlos alles essen, was die Agentin fing. Kira überprüfte abermals Afas Verletzung. Seit dem Bootsuntergang war sein Zustand weder schlimmer noch besser geworden. Sie murmelte ihm beruhigende Worte ins Ohr.
»Bald überqueren wir den Fluss«, erklärte sie ihm und träufelte ein wenig Frischwasser über die Schusswunde im Bein. »Wir müssen schwimmen, aber es wird nicht so schlimm wie am Mississippi. Diesmal ist alles einfacher.«
»Dabei geht das Funkgerät kaputt.« Afa bekam vor Schmerzen und Schmerzmitteln kaum die Augen auf. »Wenn wir nass werden, geht es kaputt.«
»Wir haben das Funkgerät schon verloren«, erwiderte sie. »Mach dir deshalb keine Sorgen.«
»Dann suchen wir uns ein neues.«
»Ja, bestimmt«, antwortete sie ruhig und verteilte großzügig Neosporin auf der Wunde. »Nachdem wir den Fluss überquert haben.«
»Ich will den Fluss nicht überqueren. Dabei wird unser Boot wieder untergehen.« So plapperte er endlos weiter, während Kira ihm einen festen Verband anlegte und darüber Plastiktüten mit Klebeband befestigte, damit das Bein möglichst wasserdicht verpackt war. Als sie fertig war, wandte sie sich an Samm.
»Er weiß nicht einmal, wo wir sind«, sagte sie. »Wir dürfen ihn nicht weiter mitnehmen, wir haben nicht das Recht dazu.«
»Wir können ihn doch nicht einfach zurücklassen …«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie aufgebracht. Dann zwang sie sich wieder zur Ruhe. »Ich weiß ja, dass wir alles Erdenkliche für ihn tun, aber es gefällt mir trotzdem nicht. Wenn wir ihn durch ein vergiftetes Ödland schleppen müssen, dann stimmt etwas nicht mit den Entscheidungen, die uns hierhergeführt haben.«
»Wie hättest du denn anders entschieden?«
Kira warf ihm einen erbosten Blick zu – seine erbarmungslose Sachlichkeit ging ihr auf die Nerven. Dann aber schüttelte sie den Kopf und gab sich geschlagen. »Bisher ist alles nach Plan gelaufen,
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