Fragmente: Partials 2 (German Edition)
vergiftete Ödland vorgedrungen. Mehr als tausend liegen noch vor uns.«
32
Marcus und die Soldaten wanderten durch die Ruinen von Jersey City und Hoboken und die riesige Stadtlandschaft westlich des Hudson. Sie wollten einen weiten Bogen schlagen und alle feindlichen Partialspäher umgehen, die sich in Manhattan oder der Bronx herumtrieben. Aus diesem Grund mussten sie viel weiter nach Norden vorstoßen, als es eigentlich nötig gewesen wäre, bis sie endlich einen Weg zurück über den Hudson fanden. Nördlich von Manhattan wurde er deutlich breiter und ähnelte eher einer Bucht als einem Fluss. Die Brücke, die sie schließlich fanden, überquerte ihn an der nahezu breitesten Stelle. Sie war eine weiße Nadel im Himmel und trug den Namen Tappan Zee Bridge. Das Bauwerk war neuer als jede andere Brücke, die Marcus je gesehen hatte. Er vermutete, dass sie erst kurze Zeit vor dem Zusammenbruch fertiggestellt worden war. Sie war mehrere Kilometer lang, und der Marsch auf die andere Seite dauerte fast einen ganzen Tag. Es war erstaunlich, dass sie überhaupt noch stand. Dass sie in fast unbeschädigtem Zustand überlebt hatte, war ein Beweis für die Überlegenheit der alten Welt. Er fragte sich, ob spätere Generationen, sofern es sie überhaupt geben würde, dieses unglaubliche architektonische Wunderwerk mit der gleichen Ehrfurcht und Verehrung betrachten würden wie die Pyramiden oder die Chinesische Mauer. Wahrscheinlich erfinden sie eine lächerliche religiöse Erklärung, dachte er. Dass wir sie beispielsweise als Weg in den Himmel gebaut hätten und dass jede Säule einen Bereich unseres Glaubens repräsentiere, während die Länge der Brücke multipliziert mit ihrer Höhe die Frühlingstagundnachtgleiche symbolisiere. Auf der Brücke standen zahllose Autos, viele von ihnen waren zusammengestoßen, gegen die Leitplanken geprallt oder standen in eigenartigen Gruppen versammelt. Es war schwierig, in diesem Durcheinander voranzukommen. Immer wieder mussten sie anhalten, nach einem anderen Weg suchen und die heißen Metallrelikte überklettern, die in der Sonne brieten.
Die Stadt auf der anderen Seite des Flusses hieß Tarrytown. Als sie sich auf der Rampe den Straßen der Ortschaft näherten, erscholl eine laute Stimme zwischen den Ruinen.
»Halt!«
Die Soldaten hoben die Gewehre, doch Commander Woolf winkte ihnen, die Waffen sinken zu lassen. »Wir kommen ohne böse Absichten!«, rief er. »Wir wollen reden.«
»Ihr seid Menschen«, antwortete die Stimme. Woolf nickte, fasste sein Gewehr am Lauf und hob es hoch, um zu zeigen, dass er den Finger nicht am Abzug hatte.
»Unsere Waffen dienen nur der Verteidigung«, erklärte er. »Wir wollen nicht kämpfen, sondern mit dem Kommandanten reden.«
Es folgte ein langes Schweigen, und als die Stimme antwortete, hatte Marcus den Eindruck, dass sie irgendwie zögerte.
»Was wollen Sie hier?«
»Eine Partialärztin namens Morgan hat unsere Siedlung angegriffen und unsere Leute als Geiseln genommen. Wir wissen, dass diese Frau ebenso Ihre wie unsere Feindin ist. Es gibt bei uns einen alten Spruch: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Wir hoffen, das reicht Ihnen, damit Sie wenigstens eine Minute lang mit uns reden.«
Wieder gab es eine lange Pause. »Legen Sie die Waffen auf den Boden, und entfernen Sie sich von ihnen!«, sagte die Stimme schließlich.
»Tut, was er sagt!« Woolf bückte sich und legte sein Gewehr ab. Marcus und die anderen Soldaten folgten seinem Beispiel, einige allerdings widerwilliger als die anderen. Sie waren deutlich in der Überzahl, aber die drei Partials, die auf die Rampe traten, schienen zuversichtlich, dass sie es im Notfall mit zwölf Menschen aufnehmen konnten. Marcus war geneigt, ihnen zuzustimmen. Der Anführer der Partials war ein junger Mann in Samms Alter, was aber nicht weiter erstaunen konnte. Die Infanteristen waren alle im gleichen Alter und blieben ewig achtzehn Jahre alt. In White Plains werden wir dann wohl die Generäle treffen.
»Ich bin Vinci«, sagte der Partial. Marcus erkannte die Stimme des Mannes wieder, der vor einigen Minuten mit ihnen verhandelt hatte.
»Wir wollen über ein Abkommen sprechen«, begann Woolf. »Über ein Bündnis zwischen Ihnen und uns.«
Falls Vinci überrascht war, ließ er sich nichts anmerken. Marcus hatte allerdings schon immer Schwierigkeiten gehabt, die Mienen der Partials zu deuten. Der Mann musterte die Besucher und wandte sich wieder an Woolf. »Ich fürchte, wir können
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