Fragmente: Partials 2 (German Edition)
es geschafft. Wäre der Boden nicht vergiftet gewesen, dann hätte Kira ihn am liebsten geküsst.
Westlich des Flusses war das Land, sofern dies überhaupt möglich war, noch langweiliger als im Osten. Die Karte wies ihnen den Weg zum I-80 und zu einer Stadt namens Lincoln. Auf einem bemerkenswert geraden Stück des Highways, das tagelang nicht einmal um einen Zentimeter vom Kurs abwich, kamen sie gut voran. Den Platte, den sie bald erreichten, mussten sie nicht überqueren, und als die Straße nach Norden abschwenkte, um dem Flussverlauf zu folgen, hielten sie sich südlich und stießen am Ufer des Republican schließlich wieder auf den Highway 34. Sie blieben zwischen den beiden Flüssen und bewegten sich in dem breiten Korridor zwischen gebleichten Feldern und verrosteten Städten vorwärts. Tagsüber erhitzte die Sonne die giftigen Chemikalien im Boden, beißender Rauch oder Dampf stiegen von den Feldern in Fahnen auf wie Gespenster. Nachts war das Land gespenstisch still, denn es gab keine Grillen, keine Vögel und keine heulenden Wölfe mehr. Nur der Wind war allgegenwärtig, strich durch das bleiche Gras und seufzte in den geborstenen Fenstern der Häuser, in denen sie übernachteten. Kira dachte an Buddy und Afas blasenübersätes Gesicht und achtete weiter auf den Regen.
Auch ohne Beruhigungsmittel schlief Afa fast den ganzen Tag. Kira machte sich mittlerweile große Sorgen. Das gebrochene Bein wollte einfach nicht heilen, so als bräuchte sein Körper die ganze Kraft für einen anderen Zweck. In einer Stadt namens Benkelman verbrauchte sie fast ihr ganzes Wasser, um ihn vom Kopf bis zu den Zehen zu waschen und sein Haar, die Wunde im Bein und die Verätzungen von der Säure zu säubern. Dann pumpte sie ihn mit Antibiotika voll. Sie wusste nicht, ob die Mittel überhaupt halfen, denn die oberflächlichen Wunden waren anscheinend nicht entzündet. Ihr fiel jedoch nichts ein, was sie sonst noch für ihn hätte tun können. Im Krankenhaus von East Meadow hätte sie mehr Möglichkeiten gehabt, während ihr in einem verfallenen Farmhaus im Nirgendwo nichts als die Hoffnung blieb. Sie wickelte ihn fest ein und deckte ihn gut zu. Am nächsten Tag banden sie ihn wieder auf das Pferd, verließen die Straße und wanderten querfeldein weiter nach Westen, denn der Highway, der einst den Fluss überquert hatte, endete vor einer zerstörten Brücke. Sie kamen durch den Ort Parks und eine größere Ansiedlung namens Wray. Bald verloren sie den Fluss aus den Augen, und in alle Richtungen erstreckten sich Felder, als wären der Welt die Landschaften ausgegangen. Es gab nichts mehr außer Himmel und Erde, eine Vorhölle aus Eintönigkeit.
Wenige Tage später, die Wanderer waren immer noch in der gelben Einöde unterwegs, starb Afa.
Sie begruben ihn in der Erde, die nach ausgelaufenen Batterien roch, und hockten sich in einen Schuppen aus Fiberglas, als saurer Regen niederging, der seinen Körper auflösen und die Knochen bleichen würde.
»Was, zum Teufel, tun wir hier?«, fragte Heron. Samm sah sie an. Kira war zu müde, um sich zu bewegen, und blieb mit geschlossenen Augen in ihrer Ecke liegen.
»Wir retten den Menschen das Leben«, erwiderte Samm.
»Wen retten wir?«, forschte Heron nach. Nun blickte Kira auf. Ihr Kopf wackelte hin und her. Nach Wochen der Unterernährung, der Erschöpfung und der Angst waren ihre Bewegungen zittrig und unkoordiniert. »Haben wir jemanden gerettet? Wir haben jemanden getötet. Wir haben zwei Pferde getötet. Afa hat zwölf Jahre völlig allein in einer der gefährlichsten Gegenden der Welt überlebt, und nun ist er tot.« Sie spuckte aus und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. »Wir müssen uns eingestehen – wir haben versagt.«
Samm beäugte im Dunkeln seine abgegriffene Karte, die an den Kniffen beinahe auseinanderfiel. Über ihnen trommelte giftiger Regen auf das Fiberglas. »Wir sind in Colorado«, verkündete er. »Die Staatsgrenze haben wir schon vor einigen Tagen überschritten. Ganz sicher bin ich nicht, wo genau wir uns befinden, aber nach unserer bisherigen Reisegeschwindigkeit sind wir wahrscheinlich hier.« Er deutete auf einen Punkt auf der Karte, weit entfernt von allen Straßen und Städten.
»Schön.« Heron sah nicht einmal hin. »Hierher wollte ich schon immer mal.«
»Heron ist müde«, warf Kira ein. Sie war den Tränen nahe, an Afas Tod war sie beinahe zerbrochen. Doch sie konnte die Flinte nicht ins Korn werfen. Sie richtete sich auf und nahm Samm die
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