Fragmente: Partials 2 (German Edition)
hält sich versteckt, oder unsere Gastgeber haben sie aufgegriffen und außer Gefecht gesetzt. Wenn sie Heron überhaupt nicht erwähnen, dann haben sie ihr wahrscheinlich etwas angetan. Stell dir nur vor, diese Leute haben Heron gefangen genommen und ausgeschaltet!«
Er hat recht, dachte Kira. Es ist verdächtig und gefährlich … und zu schön, um wahr zu sein. Und doch … »Sie haben das Heilmittel«, sagte Kira. »Ob sie lügen oder nicht – in diesem Punkt sagen sie die Wahrheit, denn überall sehe ich Kinder. Und wenn sie Kinder haben, dann verfügen sie vielleicht auch über andere Errungenschaften. Ich muss in das Gebäude, Samm. Ich muss einfach. Wenn du draußen warten willst, soll es mir recht sein.«
»Ich lasse dich nicht allein«, erwiderte er und betrachtete das beleuchtete Krankenhaus vor ihnen. »Also gehen wir hinein.«
39
Calix führte sie durch lange Flure, und unterwegs entdeckte Kira, dass die Klinik kein umgebautes Lagerhaus, sondern ein ehemaliges Labor war, das mit hochmodernen Gerätschaften aufwarten konnte. Anscheinend hatte die Einrichtung früher einmal zu ParaGen gehört. Die Flure waren relativ leer, doch Kiras Herz schlug schneller, als sie weinende Babys hörte – es waren keineswegs die kranken, kreischenden Neugeborenen, mit denen sie in East Meadow zu tun gehabt hatte, sondern gesunde Kinder in den tröstenden Armen glücklicher Mütter. Sie wollte loslaufen und die Kinder sehen, blinzelte aber tapfer die Tränen weg und folgte Calix. Erst musste sie das Heilmittel finden, dann konnte sie sich um die Antworten auf ihre Fragen kümmern.
Plötzlich fuhr Samm zusammen und wendete den Kopf hin und her, als suchte er etwas. Instinktiv nahm Kira ihre Kampfhaltung ein und bereitete sich auf einen Angriff vor. Samm atmete tief durch, spähte den Flur entlang und suchte schließlich Kiras Blick. Sie wollte etwas sagen, doch er schüttelte den Kopf und nickte in Calix’ Richtung. Das blonde Mädchen war an einer Bürotür stehen geblieben und musterte die Besucher aufmerksam.
»Stimmt etwas nicht?« Kira entging nicht, dass Calix vor allem Samm angesprochen hatte. Er wollte antworten, doch Kira kam ihm zuvor.
»Ist das sein Büro?«
»Ja.« Calix klopfte an. Von drinnen rief eine ärgerliche Stimme, sie sollten eintreten, und dann folgten sie Calix in den Raum. Dr. Vale war klein, von durchschnittlichem Aussehen, alt, aber gesund. Kira konnte nicht erkennen, ob er älter war als Dr. Skousen, und fragte sich, ob er nicht einige der Langlebigkeitsgene in sich trug, die sich ältere und reiche Menschen vor dem Zusammenbruch hatten verabreichen lassen. Falls dies zutraf, gab es keine Möglichkeit, sein wahres Alter zu schätzen – er konnte zwischen sechzig und hundertzwanzig Jahre alt sein. Samm starrte ihn einen Augenblick lang an, und Kira spürte ein leichtes Misstrauen. Samm mochte den Arzt nicht. Sie brauchte nicht einmal den Link zu befragen, um dies zu spüren. Sie nahm sich zusammen, bereitete sich innerlich auf das Gespräch vor und war auf alles gefasst, was kommen mochte.
»Nehmen Sie doch Platz!« Dr. Vale deutete auf die Stühle vor seinem Schreibtisch. Als Calix sich zu ihnen setzen wollte, hielt Vale sie freundlich lächelnd auf und deutete auf die Tür. »Bist du so nett und wartest draußen, meine Liebe? Unsere Gäste haben gewiss viele Fragen, und wir wollen nicht gestört werden.«
Darüber war Calix ganz und gar nicht erfreut. Seufzend verließ sie den Raum, nicht ohne Samm zum Abschied rasch noch einmal zuzulächeln. Samm schien es nicht zu bemerken, denn er konzentrierte sich ganz und gar auf Vale. Kira empfing eine unerklärliche Ausstrahlung großer Befriedigung.
Sobald Calix die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandte Vale sich an Samm und Kira. »Nun«, begann er, »Sie sind also die beiden Wanderer, die das Ödland überwunden haben.«
»Ja, Sir«, antwortete Kira. »Wir sind hergekommen, weil wir … weil wir Antworten suchen. Und wir brauchen ein Heilmittel für RM . Wie wir erfahren haben, konnten Sie ein solches Medikament synthetisieren.«
»So ist es«, bestätigte der Arzt. »So ist es. Sagen Sie mir, wie viele gibt es denn noch?«
»Menschen oder Partials?«, fragte Kira.
Vale lächelte. »Beide.«
»Fünfunddreißigtausend Menschen«, antwortete Kira. »In etwa. Außerdem rund eine halbe Million Partials.«
Vale strahlte. »Dann haben wir ein lachendes und ein weinendes Auge, wie? In einer winzigen Sekunde erfahren wir,
Weitere Kostenlose Bücher