Fragmente: Partials 2 (German Edition)
durchbohrte Vale mit Blicken, und sein Lächeln trieb sie schier in den Wahnsinn. »Gleich morgen früh«, wiederholte sie noch einmal. Dann folgte sie Calix, die schon den Flur entlanglief.
Als sie die Vordertür erreichten, spähte Calix vorsichtig nach draußen zu den dicken schwarzen Regenwolken, die sich am Himmel gesammelt hatten. »Es regnet noch nicht. Kommt mit!« Sie rannte los, doch als Kira folgen wollte, hielt Samm sie am Arm fest.
»Warte!« Er beugte sich vor und flüsterte ihr so leise ins Ohr, dass sie es kaum verstehen konnte. »Hast du es auch bemerkt?«
»Was denn?«
»Doktor Vale«, sagte Samm. »Ich habe ihn über den Link gespürt. Er ist ein Partial.«
40
Calix lebte ein paar Gebäude entfernt. Sie trafen dort ein, als gerade eben die ersten beißenden Tropfen fielen und auf dem Boden zerplatzten. »Das Zeug, das ParaGen in den Boden gespritzt hat, hilft den Pflanzen«, erklärte Calix. »Die Säure sollte aber keine menschliche Haut berühren.« Ein großer Mann hielt ihnen die Tür auf, damit sie eintreten konnten, und schalt sie, weil sie so spät kamen.
»Willst du dich umbringen, Callie?«,
»Bisher hat es mich noch nie erwischt.« Sie klopfte ihm liebevoll auf den Arm, als sie vorbeiging. »Danke, dass du die Tür aufgehalten hast!«
»Gern geschehen. Sind das die Reisenden?«
Samm sah sich in dem Vorraum des Gebäudes um, in dem sich neugierige Bewohner versammelt hatten. Er nickte dem großen Mann zu. »Die sind wir. Wir brauchen ein Nachtquartier.«
»Er wollte eigentlich bitte sagen«, warf Kira ein. »Und vielen Dank für eure Gastfreundschaft.«
»Ich habe genug Platz.« Calix drückte auf den Rufknopf des Aufzugs.
Kira ging an ihr vorbei, weil sie nach der Treppe suchte, und zuckte leicht zusammen, als die Fahrstuhltür aufglitt. »Heiliger Bimbam!«
Calix runzelte die Stirn. »Alles in Ordnung?«
»Wo ich herkomme, muss ich …« Kira schüttelte sich und folgte dem Mädchen vorsichtig in die Kabine. »Wir haben zu Hause nicht genügend Strom, um Aufzüge zu betreiben. Ich habe noch nie einen benutzt.«
»Ich auch nicht«, sagte Samm, obwohl Kira wusste, dass das nicht stimmte. Vermutlich wollte er die andernfalls unvermeidliche Frage vermeiden, warum sich ihre Erfahrungen so sehr voneinander unterschieden. In der Kabine drückte Calix auf den Knopf für das oberste Stockwerk, und die Türen schlossen sich.
»Anscheinend wird das ganze Gelände mit Strom versorgt, nicht nur das Krankenhaus«, überlegte Kira. »Woher bekommt ihr so viel Energie?«
»ParaGen hatte schon einige Jahre vor dem Zusammenbruch auf Selbstversorgung umgestellt«, erklärte Calix. »Wir haben Strom, fließendes Wasser und natürlich das Naturschutzgebiet, das uns vor dem Ödland schützt. Es gibt sogar genug Land, um Vieh zu züchten, falls wir lebende Tiere finden.«
»Das Chili zum Abendessen enthielt Fleisch«, sagte Kira.
»Eigentlich war es Wild.« Calix blickte Samm stolz an. »Ich habe den Hirsch selbst erlegt. Seit zwei Jahren bin ich eine voll zugelassene Jägerin.«
Samm nickte – für seine Begriffe eine äußerst starke Gefühlsäußerung. »Sehr beeindruckend.«
Kira bemühte sich, keine beleidigte Miene aufzusetzen. Calix jagte schließlich nicht gerade Ungeheuer wie das Wesen, mit dem Kira es in New York zu tun gehabt hatte.
Der Aufzug entließ sie im obersten Stockwerk, das früher offenbar als Großraumbüro gedient hatte, auch wenn inzwischen die meisten Zwischenwände verschwunden waren. Die verbliebenen Schreibtische standen an den Wänden und waren mit Topfpflanzen, Bücherstapeln und Brettspielen vollgestellt. In einer Ecke lagen Gummibälle. »Das ist unser Pausenhof«, sagte Calix. »Meine Wohnung ist da drüben: Konferenzraum Zwei.« Die Büros und Konferenzräume, an denen sie vorbeikamen, waren zu kleinen Wohnungen umgebaut worden und größtenteils belegt. Calix winkte ihren Nachbarn freundlich zu. Die Bewohner bestaunten die Neuankömmlinge, näherten sich ihnen aber nicht. Konferenzraum Zwei war spärlicher eingerichtet als die meisten anderen Behausungen. Kira fragte sich, ob Calix einfach keinen Wert auf Zimmerschmuck legte, ob sie weniger handwerkliches Geschick besaß oder bedürftiger war. In dieser Gesellschaft gab es anscheinend kein Geld, aber inzwischen war ihr klar, dass hier so gut wie alles anders war, als sie es erwartete.
Wie beispielsweise die Tatsache, dass der Arzt ein Partial war.
Es gab ein Einzelbett, das Calix freundlicherweise
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