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Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
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und die Kinder in der Schule sagen:
    «Dein Bruder kriegt Anfälle, ätsch.»
    Und wenn du aus dem Krankenhaus kommst und ans Meer gehst und man dich findet, wie du gerade einen Anfall hast, dann sagen die Leute zu unserer Mutter,
    «Mrs Withers, Sie werden Ihren Jungen wegschaffen müssen.»
    Nun, Toby, ich weiß Bescheid über Leute, die man wegschafft, und ich möchte wissen, wo dieses weg ist. Vielleicht ist es bei Rio wie in dem Lied über die Fische im Meer, «Away down Rio». Du erinnerst dich doch an die Frau aus unserer Straße, die weg musste, weil sie dauernd ohne Kleider auf die Straße ging wie der Kaiser im Märchen, nur dass die Leute klug waren wie das Kind und es merkten und sagten:
    «He, Sie. Das geht aber nicht.»
    Also schafften sie sie weg, irgendwohin, und auch die andere Frau, Minnie Cuttle, die sich oben auf den Berg stellte und auf alle Leute unten im Tal Flüche regnen ließ wie Hagelkörner, sogar unsere Mutter, die ihr Essen und Kleider schenken wollte, obwohl sie gar keine brauchte, aber das war nun mal die Art unserer Mutter, ihre Liebe zu zeigen, so wie sie uns Milch und immer wieder Milch zu trinken gab und eine Jerseykuh hielt, die uns ihren Duft nach Gras und Milchhöhle ins Gesicht blies, lebendige Liebe; wobei Chicks zuerst noch zu klein für eine Extramutter war und mehr geküsst wurde, aber unser Vater nicht, der sagte:
    «Mach, dass du wegkommst», wenn unsere Mutter die Arme um ihn schlang oder seine Schulter berührte.
    Unser Vater war traurig, obwohl er ein neues Rad hatte, das er gegen Francies eingetauscht hatte, und obwohl er endlich Francies Hosen im Ofen verbrannt hatte, aber weil er sie heimlich verbrannt hatte, fühlte er sich schuldig und mochte sich nicht küssen lassen.
    «Mach, dass du wegkommst.»
    Also setzte unsere Mutter den Kessel auf für Tee, und wenn der Kessel zu singen anfing und die Kanne warm und aufnahmebereit am Herd stand, mit zwei Teelöffeln Tee darin, nein, drei, einen für jede Person und einen für die Kanne, wie es auf der Packung steht, sagte unsere Mutter mit dem gleichen Blick, mit dem sie unseren Vater ansah, wenn sie ihn küssen wollte:
    «Trink eine Tasse Tee, Bob.»
    Und unser Vater ließ sich überlisten und lächelte:
    «Genau das, was ich brauche. Warum ist mir das nicht schon längst eingefallen?»
    So hätte unsere Mutter auch der Frau auf dem Berg, Minni Cuttle, einen Zentner Tee für einen Zentner Flüche gegeben; aber sie schafften die Frau fort, die Hagelkörner ins Tal regnen ließ; aber dich, Toby, haben sie nicht fortgeschafft, denn unsere Mutter sagte immer:
    «Mein Kind nicht. Mein Kind nicht.»
    Und so weiter und so weiter. Und wir wandern wie Theseus oder ein Aschenmann durch das Labyrinth, und unsere Erinnerungen wickeln sich an Fäden aus Seide oder Feuer ab; und wenn wir mithilfe irgendeiner Kraft den Minotaurus unseres Gestern erschlagen haben, kehren wir immer und immer wieder zum Ursprung des Fadens zurück, dem Wo.
    Und welcher Theseus oder Aschenmann wird eine scharlachrote Mohnblüte aus Papier im Haar tragen oder seine Hosen wie ein Paket mit Bindfaden verschnüren und die Hosenbeine wie ein Weihnachtsknallbonbon mit Goldband verschnüren?
    Und der Himmel ist jetzt eine blaue Maske, die die Erinnerung verbirgt, die Kassenbücher, die Wunder unter Glas,
    Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter,
    Lass dein heiteres Flötenspiel.

Zweiter Teil
Zwanzig Jahre später

15

Toby
    So singt Daphne aus dem Totenzimmer.
    Ich spreche von der Assel, wie sie ihre Bahn über die Wand zieht, wie sie auf den Rücken fällt und ihre Beine in der Luft ein Telegramm an das Mitleid schreiben,
    – Komm schnell. Ich grabe in den geschlossenen Augen von Wand und Wand nach einer Spur von Licht,
    singt Daphne aus dem Totenzimmer.
    Ich hatte einen Traum von zwei Dieben unter meinem Kopfkissen, und meine Diebe sind verschwunden, vollgefressen mit meiner letzten Mahlzeit Schlaf
zu einem mit Muscheln gesegneten Strand entwischt,
den der Winter mit samtigem Sonnenlicht übergießt,
wo kleine Knöpfe, perlengleich
und grün wie Karakalaub,
ans Meeresbett genäht sind, zu schlafen im Gezeitengang
von meines Bruders Leid.
Am Schlüsselloch des Sommers lauschend
höre ich Schneegetöse.
Und falls das Sonnenlicht tötet,
will ich dir, Toby, ein Salzhemd machen
mit kleinen Knöpfen perlengleich,
weiß wie Manukaknospen
an den Ärmeln, die das Meer
den ganzen Winter mit deines Lebens Blut bestreichen.
Durch feuriges Glas auf

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