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Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
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angebunden, damit sie nicht fliehen kann, so wie ein Liebhaber das Objekt seiner Liebe mit Banden aus Gewohnheit, Umständen, Bequemlichkeit, Zeit sichert, mit wulstigen schwarzen elektrisch geladenen Kabeln gefesselt, die in eins münden und von einem Schalter und dem Händedruck des Doktors kontrolliert werden.
    «Es geht los, mein Liebchen», wird er sagen und nach dem Schalter greifen und mit zärtlicher Hand das rot glühende Auge tätscheln.
    Er sieht Daphne an, als hätte sie ihn in seinem Vergnügen gestört oder als wollte er ihr seine Begeisterung für seine wunderbare Maschine vermitteln, um sie gleich wieder vergessen zu machen.
    «Steig hier auf das Bett, Daphne.»
    Sie erklimmt einen schwebenden, schattenhaften Berg und findet oben auf dem Gipfel eine goldene Mulde in ihrer Größe zum Hineinlegen. Wie gut sie passt und durch Jahr um Jahr ihres Lebens mit Hilfe von Regen und Wind aus dem Norden und aus dem Süden, wo der Schnee herkommt, formgerecht für sie ausgehöhlt worden ist.
    «Leg dich hin, Daphne.»
    Daphne legt sich hin. Plötzlich erscheinen über dem Gipfel des Berges in gleicher Höhe mit der niedrigsten Wolke und ebenfalls wolkenhaft die Gesichter von fünf weiß gekleideten Frauen, die ihr die goldene Mulde neiden. Lächelnd blicken sie auf sie nieder und buhlen um ihre Freundschaft. Ihnen juckt es in den Händen, das Gold auszugraben, es in ihren weiten Leinentaschen zu verstauen und aus dem Zimmer zu kriechen; denn sie müssen kriechen, sie sind weiße Insekten mit schwankenden Fühlern am Kopf, und jeder Fühler trägt an der Spitze eine Spur von Weiß wie eine vereinzelte Schneeflocke. Sie winken mit den Fühlern.
    «Leg dich hin, Daphne.»
    «Leg dich hin, Daphne.»
    Der Doktor kommt so nah heran, wie er es wagt, ohne den Finger vom Schalter seiner Geliebten zu nehmen.
    «Hallo.»
    Er lächelt ein böses, verschlagenes Lächeln, wie die Welt nach dem Morgen, der die Wahrheit über den goldenen Berg, über jeden goldenen Berg enthüllt: dass sie alle nichts sind als Gebilde aus Dreck und die Sonne ein sprachloser Fels, dessen trügerisches Attribut des Lichts, vom ständigen Picken der Zeit benagt, angesichts der Stille seiner Schattenlosigkeit und Vergessenheit erlischt.
    «Hallo, Daphne.»
    Die Frauen schwenken ihre Fühler. Plötzlich erstarren sie, ihre Knie werden fest wie Beton, ihre Brüste zu Stein; und sie pressen Eiszapfen auf Daphnes Ohren und pressen ihren Körper tief, tief in die Mulde; obgleich eine freundlich sagt:
    «Steck das in den Mund.»
    Es ist kein saurer Drops oder Pfefferminz- oder Anisbonbon, sondern eine kleine schwarze Pfeife oder Flöte.
    «Beiß zu.»
    Sollte man nicht eigentlich darauf spielen? Lass dein heiteres Flötenspiel.
    Der wartende Doktor frohlockt. Er drückt auf den Schalter. Ein Augenblick noch, dann nichts.

14
    Oh der Wind hängt für immer in der Telegrafenleitung fest weil er dort geheult hat an einem grauen Tag auf der einsamsten aller Straßen aus Staub und Kies
am Rand ein Wald von Hahnenfuß und eine Stech- oder Besenginsterhecke die ihre toten Schoten nicht abwerfen will und das Kreuz das Kruzifix der schiefen Masten zusammengehalten vom fortwährenden Leitungsgeheul des Windes der für immer in der Telegrafenleitung hängen muss weil er dort geheult hat.
    Der widerliche Geruch des Grammophontrichters nach grünem Boi und Öl, ein Geruch geschluckt und vom Gedächtnis wieder ausgespien auf ein gefaltetes Sommerlaken, verbrannt und gekocht in einem feuerfesten Kupferkessel mit einem Tannenzapfen, einem Eukalyptusscheit, einem alten Stück Apfelholz.
Francie, du freches Vöglein, komm rein,
es regnet für und für.
Was würde dein Mütterlein sagen,
ertränkst du vor meiner Tür?
Du bist ein ganz freches Vöglein,
an mich, ach, denkst du kaum.
Das ist mir doch völlig piepe,
sagte der Spatz auf dem Baum.
    Francie, du freches Vöglein, komm rein, es regnet für und für, das Feuer brennt für und für. Nun passt gut auf, Kinderchen, denn auf Schritt und Tritt könnt ihr einem Engel begegnen; denn Engel wandeln auf Erden unter den Menschen, und an dem Tag, an dem Christus kommt, wird auch er unerkannt auf Erden wandeln. Und selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich.
    Du sollst keine Schätze anhäufen auf Erden.
    Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden, selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.
    Und Kindheit ist nichts, sie ist nur der Wind in der

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