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Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
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wie sollten Krumen in seine Tasche gekommen sein, na, auch egal. «Tuck, tuck, tuck, ihr kleinen Hübschen.»
Mir träumte einst, ich sah ein Haus mit tausend Geschossen,
tausend Fenstern, tausend Türen, tausend Gelassen.
Nicht eins davon war unser, Schatz,
nicht eins davon war unser.
    Er lief den Weg zum Haus hinauf. Es war beinahe Essenszeit, und er roch den Duft des Eintopfs mit seinen versunkenen Felsen aus Kartoffeln, umstrudelt und überschwemmt von Soße und Fleischfetzen, die sich in ihrer warmen versunkenen Welt aneinander festhielten. Seine Mutter öffnete die Tür.
    «Ach Toby», sagte sie. Als wäre er hundert oder tausend Jahre auf Reisen gewesen und eben erst zurückgekehrt. Sie sah ihn an, als suchte sie in seinem schweren, wettergegerbten Gesicht die Spuren eines Salzsturmes auf einem unbekannten Ozean oder in seinen großen, ölbefleckten Händen ein Mitbringsel für sie – Elfenbein, Pfauen, Veilchen, Gold –
    «ah, Gold.»
    Und sie begrüßte ihn mit ihrer alten Liebes-Aufforderung zum Essen, als wäre er auf seiner Reise halb verhungert.
    «Oh Toby, du möchtest bestimmt etwas zu essen haben. Komm, dein Mittagessen ist fertig. Warst du bei den Chalklins?»
    Sie sagte Chalklins, aber sie meinte gar nicht sie, sondern die Welt der Menschen auf anderen Inseln, jenseits der Withers-Insel, wo Bob und Amy und Toby beisammenhockten und wo an diesem Morgen unter den Winterwolken die Wildenten schrien.
    «Warst du bei den Chalklins?»
    «Sie waren nicht da.»
    «Ach, das ist aber komisch, am Wochenende sind sie doch immer zu Hause. War Fay denn nicht da?»
    «Nein, sie war auch weg.»
    «Na, ich bringe dir gleich dein Essen und rufe deinen Vater», sagte Amy mit einem gewissen Triumph in der Stimme, wie ein glücklicher Zauberer, der im Begriff ist, ein unfehlbares Zauberkunststück vorzuführen.
    «Aber dein Vater liegt hinten im Bett, schon seit einer halben Stunde. Immer sage ich ihm, er soll zum Arzt gehen, aber er nimmt einfach nur weiter diese Pillen.»
    Sie beugte sich zu Toby hin und flüsterte:
    «Er blutet.»
    «Dann ist es eine Dummheit, nicht zum Arzt zu gehen.»
    «Oh, leg dich nicht mit ihm an, Toby. Du weißt doch, wie dein Vater ist. Hör nur, wie die Enten schreien. Aber sie wissen, dass sie bei uns sicher sind. Sie haben eine Zuflucht.»
    «Ja», sagte Toby. «Sie haben eine Zuflucht.»

19
    Waren Sie schon einmal in der Stadt, in der die Withers wohnen, im Kino? Es gibt zwei Kinos, die sich gegenüberliegen, das Regent und das Miami. Das Regent ist teurer und die Filme gehören zur sogenannten Spitzenklasse, ungestört von albernen Zeichentrickfilmen oder Cowboy-Serien oder halb nackten Frauen, die auf Gummiplantagen festsitzen und von schwitzenden weißen Männern in Tropenhelm und Shorts, der anerkannten Tropenkleidung, bedrängt werden. Ins Regent gehen die Snobs, die Reichen und Gebildeten, in ihren besten Kleidern und Pelzen. An der Decke ist ein künstlicher Nachthimmel, übersät mit Sternen, die so angebracht sind, dass sie in der zentralbeheizten Luft über den Reihen schauender und raschelnder und Ruhe zischender reicher und wohlsituierter Leute ganz realistisch funkeln. Die Lichter gehen aus, die Sterne verblassen, behagliches Murmeln setzt ein. Oh, was für ein Luxus, hier auch nur zu atmen.
    Das Miami ist, besonders im Winter, nüchtern und kalt, und durch die schweren Samtvorhänge hinten im Saal bläst ein eisiger Wind. Dorthin gehen die einfachen Leute, um zu pfeifen und zu johlen und mit Schokoladenpapier zu rascheln und in höchsten Tönen hui-i-i-i zu rufen, wenn sich der Held und die Heldin küssen, oder wenn die Frau ihre Kleider hinter einem Vorhang hervorwirft und man weiß, dass sie jetzt entweder ins Bett geht oder ein zensiertes Bad nimmt. Die Masse liebt das Küssen und das Anfassen und die Raufereien mit ausgerissenen Haaren und Ohrfeigen hin und her.
    «Du Schuft, wie kannst du es wagen.»
    «Mein Schatz, du bist mein Ein und Alles auf der Welt.»
    Das Miami ist wegen seines niederen Standes weniger teuer als das Regent. Wenn man dort die Sterne sehen möchte, geht man nach draußen und guckt, wie ihr Licht gegen Frost und kalte Bewölkung ankämpft. Sie lassen sich nicht mit einem Schalter ausknipsen, und man bezahlt nicht für sie.
    Wer am Abend des ersten Mai im Miami-Theater war, hat Toby Withers gesehen, wie er allein in der vierten Reihe von hinten saß. Er trug seinen neuen Schlips und seinen dunkelblauen Anzug, den guten. Seine Schuhe waren

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