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Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
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Strudeln und Schlangenlinien zu verbinden. Und wenn Bob Withers an den Mann im Turm dachte, sagte er:
    «Manche Leute haben es gut.»
    Für ihn hatte es, bis er in Rente ging und zum Abschied seinen Reisewecker geschenkt bekam, aber wohin reiste er schon, und deshalb hatte er die Uhr versteckt und weggeschlossen – für ihn hatte Arbeit Bewegung und Schwitzen und Schleppen und Rackern bedeutet; aber nicht, dass er in einem Turm saß, hoch oben und still wie eine Kirchenglocke am Wochentag. Der Tag also versprach schön zu werden, und die See lag da wie eine über die Wogen gebreitete Bettdecke, und die Bäume bebten wie blattloses Wasser, geschnitten aus einem durchsichtigen Block blauer Luft und Frost.
    «Was für ein Tag», sagte Toby, während er seine Rasur beendete und sein Gesicht mit etwas Creme einrieb. Krebs, ach was, dachte er. Mein Vater hat Angst, mit der Zeit zu gehen. Deshalb will er sich nicht elektrisch rasieren. Für ihn gibt es nur den ollen Seifenschaum und den Riemen und das scharfe Rasiermesser. Krebs hin, Krebs her, ich mach’s jedenfalls so. Er legte den Apparat in sein Lederetui zurück und zog den Reißverschluss zu. Was für ein wunderbarer Tag!
    Wunderbar wofür, Toby?
    Ach, ich werde zum Lagerplatz gehen und die Eisenabfälle für die Gießerei auf einen Haufen packen, vielleicht bei Joseph die Lumpen abholen, mit den Büchern für Jim bei Chalklins vorbeigehen. Es gibt jede Menge zu tun. Er zog die Vorhänge auf und schaute auf den Lagerplatz hinunter, zum Bach, an dessen Ufer die Enten umherwatschelten. Ein Star im Birnbaum oder in einer der Eichen zwitscherte eine schnelle Folge, die klang wie reißende Seide, schwarze, glänzende Seide oder vielleicht Taft, der vom Alter und vielen Tragen grün geworden war.
    «Entensaison», sagte Toby. Wie wäre es, wenn ich mir einen Jagdschein besorgte?
    Ein wunderbarer Tag, Toby.
    «Ja, ein wunderbarer Tag und jede Menge zu tun. Abends ins Kino.»
    Toby, es ist Samstagmorgen vor langer Zeit, vor fünfundzwanzig Jahren, und du spielst vor dich hin, verbringst den ganzen Vormittag mit einer Weidengerte, du brichst sie vom Ast, beschnitzt sie, stocherst damit im Wasser, schlägst damit aufs Gras, und was träumst du, Toby?
    «Ich träume, ich gehe nach Hause und entdecke, dass alles weg ist, mit einem Besen hinweggefegt, und ich werde von nun an mit Chicks und Francie und Daphne am Bach wohnen und Sauger essen und keine Anfälle mehr haben und mich von der Sonne bescheinen lassen, und einen Stock haben, mit dem ich zuschlagen kann, wenn es finster wird.»
    «Ja, vielleicht kaufe ich mir ein Gewehr und gehe auf die Jagd. Aber erst nachher. Doch warum eigentlich? Oder morgen. Ich weiß nicht, erstmal gehe ich zu den Chalklins.
    Er fuhr vorsichtig durch die Hauptstraße mit den Ulmen. Er fühlte sich glücklich beim Fahren, die Nadel auf dreißig und den Fuß – wie sagte er es am besten? – stets bremsbereit. Er fuhr mit dreißig an der Polizeiwache vorbei. Er dachte, wenn der Wachtmeister da ist, schaut er bestimmt aus dem Fenster und sieht mich vorbeifahren und denkt, Toby Withers hat seinen Führerschein verdient, er fährt vorsichtiger als die anderen, die keine Anfälle haben; so ein Handicap macht klug, die bräuchten auch ein Handicap. Aber obwohl es heißt, dass die Anfälle aufhören, sagen die Leute eben doch, sagen doch…
    Er fuhr weiter, an den Läden mit den unaufgeräumten Samstagsgesichtern vorbei, wo vor den Türen die übervollen Mülleimer standen wie traurige Geständnisse; vorbei an der schamlosen Milchbar, wo die neuen Klassejungs, der Milchbar-Cowboy, der Halbstarke, an der Tür herumlungerten und Geld in den Musikautomaten steckten:
«Oh mein Papa zu mir war er so wunderbar,
oh mein Papa zu mir war er so gut.»
    Toby summte den Rest des Liedes im Fahren vor sich hin. Oh mein Papa, pensioniert, abgeschnitten von allem, was für ihn wichtig war, von der Eisenbahn, dem lebenslangen Spielzeug seines Alltags, oh mein Papa, der zum Bahnhof wandert und sich ein bisschen umschaut, wie in alten Zeiten; der sich vom Mädchen am Zeitungsstand den neuesten Klatsch erzählen und von der Kellnerin im Bahnhofsrestaurant eine Tasse Tee spendieren lässt, nur um sich zu bestätigen, wie es früher war; der seine alten Kumpel trifft und mit ihnen in ihrem Privatjargon fachsimpelt:
    Sie ist viel zu steil,
    Oamaru Timaru Waianakarua,
    He Hi die alte Schmeißfliege.
    Und wenn er dann die neuen Reinigungskräfte und Heizer und Lokomotivführer

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