Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frame, Janet

Frame, Janet

Titel: Frame, Janet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wenn Eulen schrein
Vom Netzwerk:
Armen im Geiste.
    Aber die fünf Schatten flüsterten draußen vor der Tür, und ein sechster schlich vorbei, und plötzlich öffneten sie die Tür und ergriffen Daphne und trugen sie in ein anderes Haus am Berghang; es gab viele Häuser, alle waren klein und aus Schnee und Eisen; aber dieses war stark, ohne Licht, und es roch nach Stroh, und in der Ecke stand ein rundes Gummigefäß wie ein umgedrehter Zylinderhut oder ein Homburg, wie sie Staatsminister tragen; aber es war ein Nachttopf, und einer der Schatten sagte:
    «Geh auf den Topf, Daphne. Wir brauchen eine Probe.»
    Und die ganze Zeit saßen die Schafe auf den unteren Berghängen, und weiter oben war die Decke aus Schnee, und Enten erhoben sich wie Regenbögen von den schwarzen Teichen des Tals.

34
    Und dort lebte Daphne viele Jahre allein, inmitten von Angriffen und Übergriffen durch Geräusche, an Tagen ohne Glanz und in Nächten ohne Dunkelheit; zuerst ruft die Farm vom Berg, durch den Morgennebel schwingt immer aufs Neue das Lasso brandender Tierlaute; das Ohr wird in einer Schlinge aus Bellen, Krähen, Brüllen gewürgt, und aus Geschrei von der anderen Farm, der unteren, mit ihrer Reihe von Ställen voll vom dampfenden Dung Schwachsinniger und längst verstorbener Wahnsinniger, die in dem kleinen Bergzimmer mit vier Ecken und dem kleinen hölzernen Kassettenfenster ihren täglichen Schatz ausbrüten. Immer bemüht, die Zeit zwischen den schmalen Schattenstäben einer unwirklichen Sonne festzuhalten, denn dort ist der Tag Tag und doch niemals.
    Und die Pfeife, die Sirene, ertönt zu bestimmter Stunde wie der Schrei der Spinnerei, und Daphne erinnert sich an die Pappeln am Morgen und die hohen, erschlagenen Schatten, deren Blut durch den Überwurf aus Blättern sickert, und die Perlen aus Eis im Herzen der Kohlköpfe für Könige und Königinnen; und an den klebrigen Glanz einer Schneckenspur; und an den verlassenen, zerlumpten Himmel, ungemütlich wie eine billige Baumwolldecke, die nicht wärmt und durch die der Wind bläst. Und an die Spinnereimädchen, die auf Fahrrädern dahinfuhren und vom Südwind in ihre Räume der Blindheit gejagt wurden; aber hier nicht, Daphne, hier wird, wenn die Sirene erklingt, die Tür draußen vor der Berghütte aufgeschlossen, wie eine andere Tür zu einem Ziegelhaus, in dem die Idioten und Krüppel und Zwerge mit ihren Krepp-Gesichtern und Pergament-Augen sind, und diese Menschen begeben sich auf den Hof; sie schnattern und plappern und sind ruhig; sie verstehen, was man zu ihnen sagt; sie verstehen, begreifen, und deshalb müssen sie arbeiten; und sie hüpfen und hinken und kriechen mit schmutzigen Kleiderbündeln unter dem Arm in die Wäscherei; den ganzen Tag lang den zischenden Dampf wie von Schlangen im Ohr; sie bügeln, legen die Kleider zusammen, hängen sie auf; ihre Köpfe und die Knochen in ihren Köpfen werden unter die Mangel, die Zeit heißt, geschoben und zermalmt, und ihnen werden die Laken aus Erde genommen, zwischen denen sie liegen, und die Kissenbezüge aus Traum, auf denen sie ihre Herzen ausruhen. Sie sind müde und unermüdlich, ihre Gesichter sind heiß, und sie krempeln die Ärmel ihrer Kattunkittel hoch und sitzen alle zusammen um Wein und Brotlaibe herum; und in der Mitte des Vormittags trinken sie ihren Wein und brechen ihr Brot und sind zufrieden. Und die Männer erzählen Geschichten und laufen in den Schlafanzügen der Ärzte herum, lächeln, schütteln Hände und verbeugen sich, denn sie sind Götter in Flanell; aber es herrscht kein Friede, denn sie streiten und schreien und kämpfen um den letzten Laib Brot und das letzte Glas Wein, bis die Aufseherin, den Mund verschmiert und feucht von warmen Brötchen, aus ihrer gemütlichen Ecke zurückkehrt; und wieder ertönt die Sirene, und die Mangeln drehen sich wieder in erbarmungsloser Gier; und der Wein und das Brot laufen aus den schnatternden, plappernden und schweigenden Mündern, und bis zur mittäglichen Wiederholung des Festmahls sterben sie in dem Ziegelhaus am Berghang. Daphne hört sie schlurfend, wimmernd, wie Hunde in ihren Zwinger zurückkehren; und dann das Schweigen des Tischgebets:
    Herr, segne, was Du uns bescheret hast.
    Die Hand des Schweigens über ihren Mündern bis zum ersten Bissen, der Frieden und Krieg bringt, während die Oberin und die Schwester vom Dienst in weißer Einigkeit mit der Sprache der Spinnerei und Wäscherei wie Wellen von Tisch zu Tisch fließen, überschäumend und salzig und allmächtig.
    Nach der

Weitere Kostenlose Bücher