Frame, Janet
sein Haar jetzt so»,
oder so,
oder so,
oder
«Meinen Sie, man sollte an dieser Seite noch ein bisschen wegnehmen? Oder hier vielleicht ein wenig ausdünnen? Oder möchten Sie es lieber ganz glatt haben oder einen Pudelschnitt oder einen Igel?»
Nun, als dieser Zeitpunkt kam und die hinkende Frau Daphne eigentlich den Spiegel hätte geben und sie nach ihrer Meinung fragen und dies und jenes für trockene Kopfhaut oder zur Haarpflege hätte empfehlen müssen, da empfahl Mrs Flagiron gar nichts und fragte sie auch nicht nach ihrer Meinung. Sie hatte Daphnes Haar vollständig abgeschnitten, und um ganz sicherzugehen, rasierte sie Daphne auch noch den Kopf.
Und es gab keinen Spiegel, in dem sie sich betrachten konnte.
«Und jetzt», sagte Mrs Flagiron, «wollen wir die Mütze hier aufsetzen.»
Und sie stülpte das Stück Tuch, das wie ein Teewärmer aussah, über Daphnes Kopf; und nahm einen Besen und fegte das Haar auf und packte ihr Bündel zusammen und verschwand. Sie hinkte auf ihrem Lakritzfuß davon, und Daphne sah sie nie wieder.
Am Nachmittag kam der Arzt wieder zu Daphne. Er war sehr vergnügt.
«Na», sagte er, «wie geht es unserer Daphne?»
Daphne gab keine Antwort. Ihr Kopf fühlte sich nackt und feucht an, wie eine weiße Haselnuss, die im Regen und Schnee liegt. Sie hob dauernd die Hand und befühlte ihre Kopfhaut, aber die letzten kleinen, dunklen Haarstoppeln stachen sie in die Hand, voller Tücke, weil sie wachsen wollten und keine Zeit dazu hatten. Sie hatte den Teewärmer abgenommen und über ihren Nachttopf gestülpt, über das Bild von Gerald Whittaker, dem bronzebraunen Millionär.
«Nun, Daphne», sagte der Arzt. «Du bekommst heute Besuch. Dein Bruder und dein Vater. Das wird dir gefallen, nicht wahr? Und morgen fahren wir mit dir im Auto in ein anderes Krankenhaus, und da wirst du einschlafen, und wenn du aufwachst, geht es dir besser. Wir wollen dich verändern, damit du in der Welt leben kannst und genauso wirst wie andere Menschen, das möchtest du doch bestimmt, nicht wahr?»
Er rückte näher und lächelte freundlich.
«Und wer weiß, in ein paar Jahren wohnst du vielleicht in einem eigenen kleinen Haus, im Kreis deiner Familie? Und führst ein normales Leben, wie, Daphne?»
Ununterbrochen lächelnd klopfte der Doktor Daphne auf die Schulter und ging dann hinaus; die Schwester folgte ihm, schloss die Tür ab und blickte durch das Schlüsselloch, um sich zu vergewissern, ob die Patientin ruhig blieb.
Daphne setzte sich auf ihren Strohsack in der Ecke und lauschte Matties Gesang. Mattie musste ständig im Bett liegen und war verkrüppelt, sie hatte eine Beule im Genick, und ihr Gesicht war so verzerrt, dass es gar nicht wie ein Gesicht aussah, und wenn sie sang, klang es, als ob Steine ins Wasser kullerten, es war ein Stoßen und Gurgeln und gar kein richtiger Gesang, aber es war ihre einzige Sprache. Daphne hörte ihr zu, und über dem Zuhören schlief sie ein und wachte erst auf, als die Tür wieder aufging und die Schwester mit einem Brief von Chicks hereinkam.
Die Schwester lächelte.
«Was wir heute alles mit dir anstellen», sagte sie. «Man könnte meinen, du hättest Geburtstag, der Doktor kommt zu dir, und du bekommst Besuch und Briefe, wir werden dich für deinen Besuch ein bisschen nett herrichten müssen und dir einen Hut oder eine Mütze aufsetzen, damit dein Vater und dein Bruder deinen Kopf nicht sehen und erschrecken.»
Die Schwester war neugierig.
«Lass mich mal sehen», sagte sie und nahm Daphne die Mütze ab, die die andere Schwester ihr aufgesetzt hatte. Die Schwester berührte ihre Kopfhaut.
«Hu», sagte sie erschauernd. «Hu.»
«Nun mach deinen Brief auf, Daphne, oder wenn du willst, lese ich ihn dir auch vor.»
Die Schwester nahm den Brief aus dem Umschlag und las:
Liebe Daphne, nur eine kurze Nachricht, Du weißt ja, wie es mir mit Briefen geht. Ich habe Dir noch nicht geschrieben, seit Mutter gestorben ist. Aber jetzt will ich Dir nur ganz schnell und kurz schreiben, um Dir zu sagen, wie sehr ich mich freue, dass man Dich gesund machen will und dass Du bald ein normales Leben in der Welt draußen führen kannst. Hab bitte keine Angst vor der Operation. Es gibt keinen Grund, dich zu fürchten. Tu nur alles, was der Doktor sagt, und wenn es Dir besser geht und alles vorbei ist, können wir Dich bestimmt besuchen, denn wir ziehen in den Süden. Also, alles Gute, Daphne, und denk daran, wenn Du gesund und verändert bist, kannst Du genauso ein
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