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Framstag Sam

Framstag Sam

Titel: Framstag Sam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul van Herck
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Detail vergessen hätte, entsetzte ihn.
    Um viertel vor acht stand Sam gestiefelt und gespornt an dem bewußten Kiosk. Diesmal war das Wetter nicht so hell und freundlich; es sah sogar so aus, als würde es bald zu regnen anfangen.
    Um acht Uhr schaute er – obwohl das natürlich völlig unnötig war – nervös auf seine Armbanduhr.
    Um fünf nach acht hielt vor ihm ein endloser, schwarzer Wagen, und Sam entwickelte das Gefühl, daß das etwas mit ihm zu tun haben müsse. Dem Wagen entstieg ein Mann mit einem schwarzen Jackett und vielen Knöpfen, der eine Mütze trug und ein glattrasiertes Gesicht sein eigen nannte. Er sah sich um, entdeckte Sam, nahm Notiz von den Blumen und wandte sich dem Wartenden zu.
    »Sind Sie Minheer Sam?« fragte er freundlich.
    »Ja, natürlich«, sagte Sam.
    »Fräulein Julie bat mich, Ihnen diesen Brief zu geben.«
    »Vielen Dank«, sagte Sam und kam sich erneut wie ein Vollidiot vor.
    »Wenn ich Sie wäre«, sagte der Chauffeur, »würde ich mir daraus nichts machen. Fräulein Julie ist noch ziemlich jung und auch ein wenig unberechenbar. Na ja, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.«
    Sam dachte über den Verlauf des Abends zwar ein wenig anders, war aber klug genug zu schweigen.
    »Lieber Sam«, lautete der Brief, »wir hatten Framstag ein solch herrliches Wetter, daß ich Schwimmen gegangen bin. Dabei habe ich einen netten Jungen namens Pascal kennengelernt, und wir haben uns ein bißchen verlobt.«
    Sam knirschte so gewaltig mit den Zähnen, daß mehrere Passanten erschreckt herumfuhren.
    »Heute abend feiern wir bei ihm eine Fête«, las sich das Briefchen lustig fort. »Im letzten Moment fiel mir ein, daß wir uns ja verabredet hatten. Damit du nicht unnötig wartest, lasse ich Dir diesen Brief durch unseren Chauffeur überbringen. Wir bleiben doch Freunde? Deine Julie.«
    Wenn es um Geld geht, hört die Freundschaft auf, dachte Sam, während eine unbändige Wut in ihm aufstieg.
    Er warf einen Blick auf die herandonnernde Straßenbahn, dachte kurz darüber nach, wie übel das Leben einem doch mitspielen kann, und machte einen Satz.
    Er war auf der Stelle tot.
     

Zweites Leben
     
    »Sie sind der erste«, sagte der Heilige Petrus, »der mit einer Zeitmaschine in den Himmel kommt. In der Hölle gibt es natürlich mehrere davon. Darf ich mir das Ding mal ansehen?«
    Sam versuchte verzweifelt, auf der kleinen Wolke einen Halt zu finden und händigte Petrus die Maschine aus.
    »Wie hübsch«, sagte Petrus. »So was hätte es zu meiner Zeit auch geben sollen. Was hatten Sie damit vor?«
    »Ich wollte die Geschichte des jüdischen Volkes schreiben«, erwiderte Sam.
    »Wie drollig«, sagte Petrus. »Hört sich ja wirklich interessant an. Wußten Sie, daß ich auch Jude bin?«
    »Nee«, sagte Sam. »Das wußte ich nicht.«
    »Aber ja doch. Du könntest an sich hier mit deiner Arbeit fortfahren; Juden haben wir hier nämlich sehr viel.«
    »Tatsächlich?« fragte Sam wenig begeistert.
    »Sogar der Chef«, fügte der Heilige hinzu. »Na? Keine Lust?« »Ich hab' zu nichts mehr Lust«, sagte Sam finster. »Ich war hinter einem Mädchen her, aber sie hat mir den Laufpaß gegeben.«
    »Und das ist alles?«
    »Ja.«
    »Und… äh… die Straßenbahn? Hat es sehr weh getan?«
    »Es ging jedenfalls schnell.«
    Petrus wirkte plötzlich sehr nachdenklich. »Ich darf den Artikel zwölf natürlich nicht ignorieren«, sagte er nach einer Weile. »Und danach gehörst du zweifellos in die Kategorie der Selbstmörder.«
    »Ist das denn so schlimm?«
    »Der Chef hat was dagegen. Warum, weiß ich auch nicht. Für Selbstmörder gibt es jedenfalls keinen Reispudding. Und Lautespielen dürfen sie auch nicht.«
    Sam verzog traurig das Gesicht. Er war nämlich ziemlich wild auf Reispudding, und vom Lautespielen hatte er schon als kleiner Knirps geträumt.
    »Kann man das denn nicht 'n bißchen vertuschen?« fragte er hoffnungsvoll. »Es hätte doch auch ein Unfall sein können…«
    »Leider stand die Sache in der Zeitung«, sagte Petrus bedauernd.
    »In welcher?«
    »Oh, in allen. Was dachten Sie denn – bei einem Selbstmord vor dem Denkmal von Klaus. Manche Zeitungen haben in Ihrer Tat sogar die Wahnsinnstat eines verzweifelten Monarchisten gesehen.«
     »Haben Sie die Zeitungen vielleicht gerade da?« fragte Sam. Keine Frage, daß er neugierig war, zu welchen Spekulationen sein Tod die Zeitungsfritzen veranlaßt hatte.
    Und ja – da stand es, bei den Todesfällen. Geschwätz. Plattitüden. Man

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