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Framstag Sam

Framstag Sam

Titel: Framstag Sam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul van Herck
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berichtete, welch wertvollen Mitarbeiter die Presse doch verloren habe und wie sehr man ihn vermissen würde. Sam gab Petrus, der immer noch tief in Gedanken versunken war, die Zeitung zurück.
    »Worüber denken Sie nach?« fragte Sam.
    »Ich frage mich, warum Sie nicht zurückkehren sollten.«
    »Zurück?«
    »Na ja, Sie haben doch immer noch die Zeitmaschine… Mal sehen. Sie sind nun seit drei Tagen tot. Sie reisen drei Tage in die Vergangenheit zurück und achten darauf, daß Sie in jenem bestimmten Moment die Straßenbahn einfach ignorieren. Sie haben doch Straßenbahnen gegenüber keine besonderen Haßgefühle?«
    »Nein.«
    »Dann gibt es auch keinerlei Vorbehalte, mein Sohn. Kehr um und komm später wieder zurück! Du bist hier jederzeit willkommen. Außerdem haben wir im Moment sowieso ziemliche Unterkunftsprobleme, und…« – er wurde etwas vertraulicher – »… und dann schreiben Sie hurtig die Geschichte des jüdischen Volkes. Ich kann Sie mit einigen interessanten Einzelheiten versorgen. Ich war nämlich einer der zwölf Apostel, müssen Sie wissen – und natürlich auch der wichtigste. Tja, die ganze Sache lastete wirklich fast allein auf meinen Schultern. Da war zum Beispiel eine Zeit, in der…«
    Und Petrus erzählte Sam von der guten alten Zeit. Sam hörte nur mit halbem Ohr zu. Er überlegte sich nämlich im gleichen Augenblick die Vor- und Nachteile einer Rückkehr.
    Julie…
    »Ich hab' mir die Sache gründlich überlegt«, sagte er schließlich. »Ich gehe besser nicht zurück.«
    »Wie Sie wünschen«, sagte Petrus. »Dann geben Sie die Wolke an der Garderobe ab und gehen hinein.«
    Und das tat Sam auch. Er hielt es drei Tage aus. Drei Tage ohne Reispudding oder Lautenspiel in der Gesellschaft einer Bande von einsamen Selbstmördern, die am Leben nur die schwärzeste Seite sahen, machten ihn jedoch fertig. Nach drei Tagen machte er sich auf den Weg und hielt nach Petrus Ausschau.

     
     
    »Sie haben es sich noch einmal überlegt?«
    »Allerdings«, sagte Sam. »Hier ist es ja stinklangweilig.«
    »Wat dem eenen sin Uhl…«, sagte Petrus. »Aber gehen Sie nur. Sie haben ja noch immer die Zeitmaschine.«
    »Auch darüber habe ich nachgedacht«, sagte Sam. »Wenn man die nötige Gerissenheit aufweist, ist man mit einem solchen Maschinchen doch praktisch unsterblich, nicht wahr?«
    »Unsterblich würde ich nicht gerade sagen, aber man kann es damit ziemlich lange aushalten. Nehmen Sie zum Beispiel Methusalem…«
     
    Nach Ablauf dieser drei Tage hatte sich Sams Liebeskummer soweit gelegt, daß er sich wieder stark genug fühlte, dem Leben ins Angesicht zu schauen. Er winkte Petrus noch einmal herzlich zu, stellte die Zeitmaschine sechs Tage zurück, drückte auf den Knopf und stand wieder neben dem Denkmal und hielt den Blumenstrauß in der einen und den Brief in der anderen Hand, während der große, schwarze Wagen um die nächste Ecke verschwand.
    Sam stieß einen langen Seufzer aus und sah sich um. Er befand sich inmitten einer geschäftigen, von wimmelndem Leben erfüllten Stadt; die Umgebung war mit dem winzigen, reispuddinglosen Eckchen des Himmels gar nicht zu vergleichen… Sam hätte vor Freude die Zähne in den Straßenbeton schlagen können. Erst jetzt sah er Julie in dem Licht, in dem sie von Anfang an hätte gesehen werden sollen: Sie war ein Nichts aus Niemandsdorf und kein bißchen mehr. Mann, fühlte er sich glücklich!
    »Hast du mal Feuer für mich?« fragte ein vorbeigehendes Marsmännlein. Sam gab ihm das Verlangte. Dann konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes: Die Straßenbahn donnerte nämlich heran. Fasziniert warf Sam einen Blick auf die mächtigen Eisenräder und die Schienen, wunderte sich darüber, wie dumm er sich doch beim letztenmal benommen hatte, und fröstelte.
    Es war für das Marsmännlein natürlich eine Kleinigkeit, Sams Gedanken zu lesen. »Dumm ist genau das richtige Wort, Sam«, sagte es und löste sich auf.
    Seine plötzliche, völlig andersartige Lebensauffassung brachte Sam dazu, den Beschluß zu fassen, an Julie heute abend keinen Gedanken zu verschwenden und statt dessen die Geschichte des jüdischen Volkes zu schreiben. Wie hieß dieser alte Käse doch gleich wieder, den man so oft von der kapitalistischen Propaganda zu hören bekam? – Ach ja: Arbeit adelt.
    Sam ging also nach Hause und schrieb die Geschichte des jüdischen Volkes. Die Arbeit kostete ihn zwar fünf harte Jahre, aber er wurde trotzdem noch am gleichen Abend

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