Framstag Sam
scheinst du in solchen bis über die Ohren drinzusitzen.« Er deutete auf die Zeitung.
»Stimmt«, sagte Sam, »aber so schlimm, wie du glaubst, ist es auch wieder nicht. Es ist eine lange Geschichte, aber ich habe nicht vor, dich damit zu langweilen.«
»Vielen Dank«, sagte der Zauberer. »'n Gläschen Wodka?«
Sam lehnte freundlichst ab. »Ich hab' heute abend noch viel vor, Mann. Im Vertrauen: Welchen Tag haben wir heute überhaupt?«
»Samstag«, sagte Sabrinsky. »Prost.«
»Prost. Was ich noch fragen wollte, Sabrinsky: Kannst du vielleicht mein Äußeres verändern?«
»Das ist meine Spezialität«, jauchzte Sabrinsky. »Was glaubst du, wie oft die Bullen schon einen schweren Jungen wieder laufen lassen mußten, weil ich ihm ein anderes Gesicht verpaßt hatte… Mensch!«
»Na prima«, sagte Sam. »Du weißt ja, Geld spielt keine Rolle.«
»Ach, darüber können wir später reden. Wie willst du denn aussehen? Wie ein Filmstar? Wie ein Provo mit kindlich-unschuldigen Äuglein? Wie ein gutmütiger Fettsack? Oder wie ein Pastor?«
Sam schüttelte heftig den Kopf. »Das wäre mir zu radikal, Mann. Du sollst nur ein paar kleine Details verändern. Mein Haar, mein linkes Ohr, meinen Adamsapfel. Kapiert? Jemand, der mich näher kennt, sollte mich schon wiedererkennen.«
»Klarer Fall.«
»Dann kannst du sofort anfangen.«
»Schon passiert«, sagte Sabrinsky vergnügt. »Prost!«
»Prost!« Sam schaute in den Spiegel und kreischte vor Begeisterung auf, als er das Ergebnis zu Gesicht bekam. Es war fantastisch. Der Bursche, der ihn angrinste, war ein äußerst gutaussehender Junge. Er hatte nun ein energisch vorstehendes Kinn, sein Haar war leicht gewellt und die Ohren gleich groß. Aber es war noch immer Sam.
»Gut«, sagte Sam. »Und jetzt brauche ich noch einmal ein Duplikat von mir.«
»So wie du jetzt aussiehst?«
Sam zuckte zusammen. »Himmel, nein! So wie ich vorher war natürlich.«
»Mach ich, mach ich, keine Bange. Hast du schon wieder Schwierigkeiten mit den Frauen?«
»Nein«, lächelte Sam. »Mein Duplikat muß in die Klapsmühle. Wäre es möglich, ihn ein bißchen ausgeflippt zu konstruieren? So, daß er sich für Napoleon hält?«
»Kleinigkeit«, sagte Sabrinsky. »Du mußt nur daran denken, wenn ich dich verdopple.«
»Gebongt«, sagte Sam. »Rufst du dann die Polizei an?«
»Polizei?«
»Aber sicher«, sagte Sam ein wenig ungeduldig. »Sie müssen mein Duplikat so schnell wie möglich zu fassen kriegen.«
»Recht hast du.« Sabrinsky rief die Polizei an und meldete, daß er den entsprungenen Verrückten gefangen habe. Der Kommissar bedankte sich ehrerbietig und versprach, er werde in wenigen Minuten mit seinen Männern anrücken.
»Jetzt aber schnell, Sam!«
»Schön«, sagte Sam. »Dann wiederholen wir noch mal eben kurz. Du machst ein Duplikat, das so aussieht, wie ich vorher ausgesehen habe. Ich denk mir währenddessen allerlei verrückte Sachen aus, etwa so was, daß ich einer von Napoleons Offizieren wäre. In diesem Augenblick verdoppelst du mich. Ich verstecke mich irgendwo, die Polizei kommt herein und nimmt mein Duplikat fest.«
»Hervorragend«, sagte Sabrinsky und nahm einen tiefen Zug.
»Und wo kann ich mich verstecken?« fragte Sam.
»Ach, hier steht doch genug Müll herum«, sagte Sabrinsky und deutete auf das sie umgebende Gerümpel. Er stieß dabei einen Zylinderhut um, aus dem allerlei weiße Kaninchen ins Freie hüpften. Sabrinsky fluchte irritiert.
»Sollten wir jetzt nicht endlich anfangen, Sabrinsky?«
»Aber flott. Setz dich hin!«
Sam setzte sich. Ein leichtes Kitzeln machte sich in seinem Körper bemerkbar, während ihn der Zauberer in seinen Urzustand zurückversetzte.
»Okay«, sagte Sabrinsky vergnügt. »Und jetzt fang an zu denken, Sam. Du bist jetzt einer von Napoleons Offizieren…« Seine Stimme wurde zwingend. In Sams Geist begannen sich Nebelfelder zu formen. »So ein Bursche mit einer Kokarde am Hut, mit einem langen Säbel und klingelnden Sporen. Du riechst nach Pferdeschweiß, Pulverdampf und billigem Wein. An der Spitze deiner Dragoner hast du hundert Siege miterlebt…«
Als der Nebel sich auflöste, konnte Sam die Dragoner auf der Ebene sehen. Sie kampierten dort und waren ermüdet von der vorhergehenden Schlacht. Er sah ihre staubbedeckten, erschöpften, aber auch vertrauenswürdigen Gesichter, und ihm wurde ganz warm ums Herz.
Hufgetrappel. Da kam Napoleon. Er ritt lächelnd auf Sam zu.
»Sie haben gute Arbeit geleistet,
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