Framstag Sam
General.«
»Ich danke Euch, Sire.«
Auf einmal zischte eine Kanonenkugel durch die Luft. Die Soldaten warfen sich in den Schmutz. Die Kugel bohrte sich mit einem gewaltigen Knall ins Erdreich, warf Sam von seinem Roß; er stürzte zu Boden.
Als der Pulverdampf sich verzog, fand er sich in Sabrinskys Büro wieder. Neben ihm stand sein Duplikat.
»Das war verdammt knapp«, sagte sein Duplikat.
»Die Engländer schießen verteufelt gut.«
Sabrinsky lächelte stolz. »Ein voller Erfolg«, murmelte er und schnappte unter Sams Nase mit den Fingern. »Einen Wodka?«
Diesmal sagte Sam nicht nein. Sein Doppelgänger sagte etwas Beleidigendes über die Russen, die angeblich seine Todfeinde waren, und wies das Getränk zurück.
»Prost!« sagte Sam. »Und jetzt sag mir rasch, wo ich mich verstecken kann.«
»Vielleicht hinter dem Diwan?«
»Hervorragend.«
Sam verkroch sich hinter dem Diwan, fand den Platz überraschenderweise jedoch besetzt. Sein Doppelgänger kniete dort auf allen vieren und tastete den Boden ab.
»Was machst du denn hier?« fragte Sam.
»Ich suche meinen Säbel«, sagte sein Duplikat. Zwischen den Abfallbergen sah Sam etwas funkeln und fischte es heraus. Es war tatsächlich ein Säbel. »Suchst du das hier vielleicht?« fragte er. Und dann begann alles ein bißchen schnell zu gehen, jedenfalls für Sam, der von der Verdopplungsaktion noch ein wenig schwach auf den Beinen war. (Diejenigen Leser, die eine solche Verdopplung schon mal mitgemacht haben, wissen ja, wie das ist. Es soll ihm eine Lehre sein, damit er es nicht zur Gewohnheit werden läßt.)
Jemand klopfte an die Tür, und zwar fest und sachlich. Es war ein Klopfen, das keinen Widerspruch duldete.
»Ich komme schon«, hörte Sam Sabrinsky säuseln. Zu Sams Doppelgänger sagte er: »Zu spät, um dich noch verstecken zu können, Sam. Ich verwandle dich eben in eine Maus. Bin gleich wieder da.«
Zwei Sekunden später sah Sam – und es ist natürlich keine Frage, daß er dabei ein ziemlich dummes Gesicht machte – eine Maus unter den Diwan laufen und in einem dahinterliegenden Mauseloch verschwinden.
»He!« rief Sam aufgeregt, aber da war es bereits zu spät. Sabrinsky hatte die Polizisten schon hereingelassen. Der Kommissar schlug das Angebot, ein Gläschen Wodka mitzutrinken, streng aber höflich aus. »Wo ist der Irre?« fragte er mit lauter Stimme. »Meine Beförderung hängt von ihm ab!«
»Da«, sagte Sabrinsky. »Der da, mit dem Säbel in der Hand. Ich versichere Ihnen, daß es ein hartes Stück Arbeit war, ihn hier festzusetzen.«
Sam hielt tatsächlich noch immer den Säbel in der Hand. Und sein entsetzter Blick sprach natürlich Bände.
Die Polizisten schüttelten sich. »Er ist gefährlich«, sagte der Kommissar grimmig. »Soweit ich gehört habe, hat er versucht, den Minister umzulegen. Na, komm schon, Männeken, laß das rostige Eisen fallen und gib auf. Wenn nicht… holen wir eine Zwangsjacke.«
»Aber…«, krächzte Sam.
»Er setzt zur Widerrede an, Männer!« rief der Kommissar fassungslos. »Packt ihn!«
Und das taten sie dann auch. Sie steckten Sam in eine Zwangsjacke, schleppten ihn in einen Krankenwagen, und eine Stunde später saß er wieder vor dem Direktor.
»Na, dann wollen wir mal sehen, welche Schwierigkeiten Sie sich in Austerlitz mal wieder geleistet haben, General«, sagte er gemütlich.
Sam rutschte das Herz in die Hose. In diesem Augenblick dachte er sogar ernsthaft an Selbstmord. Leider gab es, abgesehen von einem Tod durch Ertrinken im Goldfischteich, nur wenige Möglichkeiten des Zeitvertreibs in diesem Institut. Außerdem: Was würde der heilige Petrus sagen, wenn er schon wieder bei ihm aufkreuzte?
Glücklicherweise dauerte der Anraunzer wegen seiner Schwachheiten bei Austerlitz nicht lange. Gegen Mitternacht brachte ihn der Direktor wieder in seine Zelle.
Als er wieder wachgerüttelt wurde, hatte Sam das Empfinden, erst wenige Sekunden geschlafen zu haben, aber tatsächlich spielte bereits das Sonnenlicht mit seinen Zehen, und in den Bäumen krakeelten die Spatzen. (Das klingt sehr poetisch, wenn man darüber nachdenkt, aber Sam war nicht nach Nachdenken zumute.)
»Raus!« sagte er nur.
Aber Talleyrand dachte nicht daran. »Da ist Besuch für dich, du Glückspilz«, sagte er. »Hier muß wohl irgendwo ein Nest sein. Kaum bist du da, kriegst du auch schon Besuch. Na mach schon, beeil dich!«
»Wenn es der Minister ist«, sagte Sam, »dann sag ihm, daß er sich zum Teufel scheren
Weitere Kostenlose Bücher