Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
allein in einer mir unbekannten Stadt. Ich hatte diesen Soldaten heute Morgen zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. Ich streckte die Schultern durch und wurde dadurch sichtlich aggressiver.
Er nickte zustimmend. »Wie du meinst. Yoav will sich in der Taverne am Tor mit dir treffen. In der Honigbiene.«
Die Israeliten hatten Tavernen?
»Geh rein und zum Wirt, dann wird er dir zeigen, wo du Yo-av finden kannst.«
»Todah«, sagte ich und schulterte meinen Krug. Er würde mir wenigstens einen fadenscheinigen Vorwand bieten, sollte ich einen brauchen. Sobald ich mich auf den Weg gemacht hatte, stellte ich fest, dass mir der Soldat in einigem Abstand folgte. Das machte mich nervös, doch immerhin waren Menschen auf den Straßen. Ich war eindeutig weniger gefährdet als bei einem Spaziergang durch das nächtliche Dallas oder durch Istanbul bei Tag. Vielleicht würde sich diese Gelegenheit kein zweites Mal bieten - und bei meiner Arbeit im Harem bekam ich immer öfter Hummeln im Hintern.
Während ich mich mit dem Krug auf der Schulter durch die Menschen schlängelte, versuchte ich mir darüber klar zu werden, warum er mir folgte. Wäre ich allein gewesen, hätte mir möglicherweise Gefahr gedroht. Doch da ich verheiratet war, hätte alles von einer Vergewaltigung bis zur Verführung als Ehebruch gezählt, da die Definition von Ehebruch auf dem weiblichen Part beruhte.
Es war weniger eine moralische Frage als vielmehr eine - ich biss die Zähne zusammen - des Besitzanspruchs. Ein Mann musste die Gewissheit haben können, dass seine Kinder von ihm stammten. Doch jedermann wusste, dass ich verheiratet war. Da ich nicht glaubte, dass dieser Soldat das Risiko eines Todes durch Steinigung eingehen würde, weil er eine verheiratete Frau vergewaltigt hatte, musste es einen anderen Grund geben.
Wieso blieb dieser Typ mir auf den Fersen? Ich nahm den Krug von der Schulter und schlüpfte in eine Seitengasse, um meine Theorie zu überprüfen. Mit seinen unheimlich blauen Augen nach allen Seiten spähend, ging er an mir vorbei. Zu dutzenden trugen die Frauen irgendwelches Zeug auf ihren Schultern und Köpfen durch die Straßen. Ich beobachtete, wie er eilig zu einer Frau aufschloss, deren Krug so aussah wie meiner. Dann schlüpfte ich wieder aus meiner Gasse heraus und folgte ihm.
Erst als sie abbog, begriff er, dass sie nicht ich war. Ich machte eine Kehrtwendung, denn mir war klar, dass er sich jetzt nach allen Seiten umsehen und sich fragen würde, wohin ich verschwunden war. Irgendwie machte mir die Sache Spaß -jedenfalls mehr, als weinerlichen Weibern dutzende von Kleidern nachzutragen!
Nach einigen weiteren Fehlschlägen, nachdem ich ihn ein paar Mal verloren und ein paar Mal entdeckt worden war, begriff ich, dass ich vor einem vertrackten Problem stand: Ich wusste nicht, wohin ich gehen musste. Ich kannte mich in Mamre nicht aus. Allmählich rückte der Abend näher; die Straßen leerten sich bereits.
Am Stadttor, hatte der Soldat gesagt, darum folgte ich einigen Tageshändlern, die diese Nacht vor der Stadt verbringen würden. Es war reines Glück, dass ich zwei Mitanni dabei belauschte, wie sie sich über die Linsensuppe unterhielten, die in der Honigbiene serviert wurde. Mein Krug war zwar leer, doch ganz schön schwer geworden.
Ich heftete mich an ihre Fersen, spazierte in die Taverne hinein und wurde sofort angeherrscht, meinen Krug draußen zu lassen. In der Hoffnung, dass niemand ihn stehlen würde, kam
ich der Aufforderung nach und ging dann an die Bar. Der Mann musterte mich von Kopf bis Fuß, um schließlich eine Kinnbewegung zur Seite zu machen.
Ich trat durch eine Vorhangtür.
»Shalom«, sagte Yoav. Avgay’el saß an seiner Seite.
»Shalom, Adon, G’vret. Du wünschtest mich zu sehen?«
»Du hast meinen Boten geschickt überlistet«, sagte er. »Das beweist mir, dass du die bist, nach der ich suche.«
Schweigend überlegte ich, wie er das wohl meinte. Du musst pokern, Chloe. Lass ihn nicht wissen, was du denkst.
»B’vakasha, nimm Platz«, bot er mit einem spröden Lächeln an.
B’seder, Yoav, auch ich habe nicht vergessen, dass einst unsere Rollen vertauscht waren. Ich nahm den Hocker, etwas anderes bot sich nicht an, und ließ meinen Blick zwischen Dadu-as zweiter Frau und seinem zweiten Oberkommandierenden hin und her wandern. War es nicht verdächtig, dass sie hier waren? Allein? Zusammen?
Ich bin eine richtige Klatschbase geworden, dachte ich.
Er beugte sich vor, wobei die schwarzen
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