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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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das vielleicht ...« RaEm verstummte. Schon ihre Worte waren ein Verrat an Echnaton. Doch es war nicht zu ändern. Sie schloss die Augen, weil sie die wenigen Tränen nicht länger zurückhalten konnte. Höret wartete schweigend ab. Sie schniefte kurz, ehe sie die Beherrschung wiedergefunden hatte.
    »Mit Gold ließen sich viele der Wunden Ägyptens zupflastern«, bestätigte Höret. »Wo ist es?«
    RaEm seufzte. Das war die Millionenfrage, wie es im Fernsehen immer geheißen hatte. Die Minen waren bis auf den letzten Krümel geleert, an das Gold in den Tempeln kam niemand heran. Der Staatssäckel war leer, und abgesehen von wertlosem Tand waren keine Tribute mehr eingegangen.
    Ägypten hatte seine Stellung als ernst zu nehmende Macht eingebüßt. Seit zwanzig Jahren hatte das Land den Rest der Welt ignoriert.
    Also war der Lauf der Welt über Ägypten hinweggegangen.
    »Ich habe es noch nicht.«
    Ärgerlich warf er die Hände hoch.
    »Eine Springflut des Zornes lässt sich nicht mit bloßen Versprechungen eindämmen!« Wütend sah er sie an, dann trat er zurück und ging auf und ab - er wagte es sogar, ihr den Rücken zuzudrehen!
    »Einen Augenblick lang habe ich geglaubt, du hättest begriffen, du seist einverstanden! Wir waren uns doch einig, haii? Ägypten stirbt! Es wird ermordet, ermordet von diesem, diesem ...« Er wirbelte auf dem Absatz herum.
    »Das Volk verhungert. Die Tempel sind nur noch Ruinen. In endlosen Scharmützeln, die wir nicht einmal als Schlachten bezeichnen dürfen, haben wir Söhne und Brüder und Väter verloren!« Er sprach sie direkt an. »Ich bin zu dir gekommen, um für das Land zu bitten, das Pharao seinem Eid nach allem anderen voranstellen muss. Und du machst dich über mich lustig!« Wieder weinte er, ungehemmt flossen die Tränen über seine Wangen. »Mein Leben wäre verwirkt, wenn herauskäme, dass ich hier war und mit dir gesprochen habe. Ich bin der letzte Stein, der den Fluss zurückhält, Weib. Bau mir einen Deich, sonst werden wir allesamt ertrinken.«
    RaEm stieg von ihrem Thron. Schon bei der ersten Bewegung verknitterte ihr sorgfältig geschneiderter und ihrem Sitz perfekt angepasster Schurz in unzählige Falten. Eine Stufe tiefer blieb sie stehen, einen juwelengeschmückten Fuß neben den Schemel stellend.
    Behutsam legte sie die eigens für sie feiner gearbeiteten Kopien der Geißel und des Krummstabs auf dem Thron ab, dann sah sie in seine Augen hinab. »Ich werde dir Gold besorgen. Ich weiß nicht genau wo, doch mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen.« Sie biss die Zähne zusammen. »Ich würde noch schneller sterben als du, sollte auch nur ein Wort dieses Gesprächs nach außen dringen. Man würde mich strecken und vierteilen, nachdem man mich eine Woche Jang in eine Ameisengrube gesteckt hätte, glaube mir.« Sie stieg eine weitere Stufe hinab, überragte ihn aber immer noch. »Ich flehe dich an, du musst den Fluss noch ein paar Monate eindämmen. Ich werde das Gold beschaffen.«
    Er sah sie an; RaEm musste daran denken, was ein paar Tränen mit ihrer Bleiglanzschminke anstellen konnten, und fürchtete, dass sie eher wie ein Gespenst aussah als wie der KoRegent eines lebenden Gottes.
    »Bis zur nächsten Überschwemmung können wir Tutis Hochzeit mit Anchesenpa’aton verkünden«, bot ihm RaEm an.
    »Das Gold brauchen wir trotzdem«, warnte er.
    Sie starrten einander an. Er war ein junger Mann, auch wenn Sorgenfalten seine Wangen durchzogen und sich Furchen in seine Stirn gegraben hatten. Seine Brauen waren ebenso dunkel wie seine Wimpern. Auch diesmal hatte RaEm nicht das Gefühl, dass dieser Mann irgendein persönliches Interesse verfolgte. Sein Blick war offen und rein wie der eines Kindes.
    »Du bist der Doppelkrone würdig«, flüsterte er. »Denn du liebst Ägypten mehr als dein Herz.«
    RaEm hätte am liebsten erst laut gelacht und dann geweint.
    Aii, Hatschepsut, meine Freundin, jetzt hat mich die Charakterkrankheit, wegen der ich dich so oft aufgezogen habe, offenbar selbst befallen! RaEm war erschöpft, dennoch versuchte sie sich auszumalen, was für Gerüchte oder Folgen ihr Gespräch nach sich ziehen würde.
    »Ich muss dich auspeitschen lassen«, sagte sie leise.
    Im ersten Moment riss er die Augen auf, dann nickte er. »Da der letzte Priester nackt ausgezogen und gezwungen wurde, nach Waset zurückzuschwimmen, muss ich die Peitsche wohl als ... mildes Urteil betrachten.«
    Sie blieb schweigend stehen.
    Wenn er nicht ausgepeitscht wurde, würde es Fragen

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