Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
darstellen? Mit Gold überzogen?«
»Ein Goldklumpen soll unser Gott sein?«, rief jemand überrascht dazwischen.
Der Junge errötete, während seine Gefährten sich über ihn lustig machten.
»Wie wäre es mit einem Symbol, mit ein paar Buchstaben?«, meinte jemand.
»Die was bedeuten?«
»Seinen Namen«, war von hinten, aus dem Schatten zu hören.
»Wir dürfen Seinen Namen nicht verwenden.« N’tan spähte ins Dunkel. »Er ist Gott. Wenn wir Seinen Namen verwenden würden, hätten wir Gewalt über Ihn.«
»Ihr behauptet aber, Er hätte einen Namen verwendet, als ihr gegen die Ägypter gekämpft habt?«, meldete sich Cheftu. Wie er gleichzeitig schreiben und zuhören konnte, war mir ein Rätsel. Doch er hatte Recht; das wurde behauptet. Allerdings hätte RaEm diese Behauptung aufstellen sollen. Sie war nicht hier. Ich fragte mich, ob sie erwartete, dass wir ihr heute Abend etwas zu essen brachten? Meinetwegen konnte sie verhungern, beschloss ich.
N’tan antwortete darauf. »Auf diese Weise will Er von uns angerufen werden, darum kommt dies einem Namen am nächsten. Doch ist es nicht Sein wahrer Name. Den kennen wir nicht. Wir kennen lediglich ICH BIN.«
Es wurde totenstill.
»Es gibt zwei Gründe, weswegen wir kein Bildnis von Sha-day haben«, sagte er. »Echad: Weil wir Ihn nicht richtig und vollständig darstellen können. Weder durch Buchstaben, noch durch Symbole oder die feinsten Handwerksarbeiten. Selbst der Gnadenthron ist nichts als der Schemel Shadays.« Er streckte die Hand aus. »Der zweite Grund ist elementarer. Wir sollen ein Volk sein, das hört, keines, das sieht.«
»Kannst du sie nicht hören?«, fragte Hiram. RaEm unterdrückte ein Gähnen. Sie krochen schon eine ganze Weile durch die Gänge unter der Stadt. Der ganze Boden war durchzogen von Tunnels und Gängen, Hinterlassenschaften der vielen Völker, die hier schon gelebt hatten.
Man konnte vom Palast zur Tenne oder von der Brunnenkammer zum Marktplatz gelangen. Es gab Durchgänge in Häu-ser und Läden, von denen sogar die Bewohner nichts wussten.
Die zwei Herrscher saßen im Dunklen und schöpften Atem, ehe sie die Korridore unterhalb des Palastes erforschen wollten. Dadua lagerte seine Schätze im Fels, behauptete Hiram.
»Du tust das also, weil du die Stadt willst«, sagte RaEm leise. »Und die Straße der Könige?«
»Ganz recht. Und aus einem weiteren Grund.«
»Den Schreiber, Chavsha?«, riet sie.
»Genau.«
RaEm kratzte sich unter ihrem hochgebundenen Haar. »Du hast mir nie verraten, woher du ihn kennst und weshalb du ihn mit so verzehrender Leidenschaft begehrst.«
»Das habe ich nicht.«
»Nein.« Es blieb still. Sollte sie dem rätselhaften Herrscher verraten, dass sie »Chavsha« schon viele Male besessen hatte? Dass sie ihn als Erste genommen hatte? Ihr fiel wieder ein, wie zornig Hirams schwarze Augen geblitzt hatten, als sie zum ersten Mal von einem ägyptischen Schreiber gesprochen hatte. Lieber nicht. »Jetzt hätten wir Zeit.«
Dion atmete aus. »Ich bin ihm begegnet, als ich noch jung war.«
»Du bist immer noch jung«, wandte RaEm ein. »Warst du damals ein Kind?«
Sein Lachen klang bittersüß. »Im tiefsten Sinne des Wortes war ich wirklich ein Kind. Cheftu, Chavsha, aii, das war ein Mann ... ein wirklich eindrucksvoller Mann.«
Attraktiv schon, dachte RaEm. Begnadet gewiss. Aber eindrucksvoll? Der Mann besaß keine Macht, keinen Thron, kein Gold. Was sonst konnte solche Anziehungskraft haben?
»Doch er war verheiratet?«
Hiram schwieg wieder. RaEm hakte nach. »Das ist eine komplizierte Geschichte«, erwiderte er. »Nichts ist so einfach, wie es aussieht.«
»Das weiß ich nur zu gut«, lachte sie.
Er sah sie an. »Dein Gesicht ist mir vertraut, wenn auch nicht mit diesen Augen.«
»Wirklich?«
»Es war das Gesicht meiner Tante Sybilla. Derselben Tante, die Cheftu heiratete.«
RaEm lächelte. »Sybilla. So hast du mich schon einmal genannt, allerdings habe ich damals nicht erkannt, dass das ein Name ist.«
»In diesem Moment habe ich begriffen, dass du irgendwie nicht mehr diese grünäugige Hexe bist.«
»Aii, meinst du damit Cheftus Weib?«
»Er hat offenbar eine Schwäche für grünäugige Frauen. Seine neue Frau hat auch welche.«
Sie prustete los; er wusste nicht, dass Chloe immer noch hier war? War der Mann denn blind?
»Was bringt dich zum Lachen, Pharao?«, fragte er.
»Wenn du mir deine Geheimnisse verrätst, werde ich auch meine mit dir teilen«, bot ihm RaEm an. »Doch
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