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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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eintreffen?«
    »Er kommt direkt hierher, also wird es wohl eine Woche dauern. Möglicherweise auch länger oder kürzer.« Den Rest des Weges zum Palast legten sie schweigend zurück. RaEm nahm nichts von ihrer Umgebung wahr, ihr fiel nur auf, dass Echnaton in der Kunst die Ma’at zerstört hatte. Die Gestalten standen nicht mehr im Profil da, mit makellosen Gesichtern und Körpern. Stattdessen wirkten sie . natürlich, auch wenn alle Gesichter und Gestalten aussahen wie Kopien ihres geliebten Echnaton. Was für ein Zauber war das?
    Cheftu verschwand in ein Zimmer, worauf RaEm Wenaton beiseite zog, mit ihren Händen über seine hageren Schultern strich und ihn unter ihren Wimpern hervor anlächelte. Eine Woche, dachte RaEm. Kann ich in nur zehn Tagen seine Bestimmung zu meiner machen? »Woher kann ich eine wirklich gute Klinge bekommen?«, fragte sie.
    »Wozu brauchst du eine Klinge, wo du doch mit mir und Cheftu hier bist?«
    »Du weißt, wie schwach Cheftu ist«, meinte sie vertraulich. »Er ist der größte Geck, den man sich vorstellen kann. Ganz anders als du.« Wenaton kniff die Augen zusammen, nicht ge-rade die Reaktion, die sie sich erhofft hatte. »Deshalb mache ich mir als allein stehende Frau große Sorgen.« Bei diesen Worten streichelte sie seinen Arm.
    »Du bist nicht allein«, widersprach er und deckte dabei ihre Hand auf seinem Arm mit seiner Hand zu. RaEm spürte einen Anflug von Panik, entspannte sich aber sofort wieder.
    »Du hast ein Weib und eine Familie, du trägst Verantwortung«, sagte sie. »Und ich, aii, bin nicht dazu geschaffen, etwas anderes als eine Hauptfrau zu sein.«
    »Den meisten Frauen wäre das egal«, erwiderte Wenaton gedehnt.
    Den Göttern sei Dank, dachte RaEm. »Siehst du, wie durcheinander ich bin? Ganz gleich, wie stark und schlau du auch bist, es würde leider nicht funktionieren.« Sie wandte den Blick ab und spannte ihre Miene ein wenig an, so als würde sie die verpasste Gelegenheit bedauern, Wenaton mit auf ihre Liege zu nehmen. »Darum muss ich tapfer sein. Woher kann ich also eine Klinge bekommen?«
    »Du bist nicht allein, weil überall Soldaten sind«, stellte Wenaton klar. »Das habe ich damit gemeint. Überall. Wahrscheinlich kannst du nicht einmal in den Garten gehen, ohne dass du über einen stolperst.«
    RaEm hätte diesen vernagelten Kerl am liebsten geohrfeigt. Hatte er mit ihr gespielt? Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Woher kann ich eine Klinge bekommen?«
    Wenaton zuckte mit den Achseln und nannte ihr dann den Namen einer Schmiede im Viertel der Pelesti. »Nur die Pelesti haben Eisen«, erklärte er. »Doch nichts schneidet besser. Durch Leder, Wolle, Panzer jeder Art. Bronze hinterlässt nicht einmal Macken darauf.«
    Sie dankte ihm, auch wenn ihre Worte nur auf seinen Rücken trafen, denn er hatte sich bereits umgedreht. Dieser Idiot, dachte sie, und schlüpfte in ihr Zimmer. Doch er wäre ein nützlicher Idiot; er kannte den Hof und die Adligen. Sie würde ihn hartnäckiger bearbeiten müssen, um mehr über dieses eigenartige Land zu erfahren, wo sogar die Sprache ein wenig anders klang als in jenem Ägypten, das sie gekannt hatte. Sobald die Tür hinter ihr zufiel, bellte RaEm nach ein paar Sklavinnen. Sie brauchte ein Bad, etwas zu essen und etwas zum Anziehen, und zwar genau in dieser Reihenfolge.
    Er würde ihr nicht widerstehen; das hatte noch niemand geschafft.
    Erschöpft, aber ohne einschlafen zu können, lag Cheftu auf seiner Liege. RaEm führte irgendetwas im Schilde, doch er wusste nicht was und hatte auch im Augenblick nicht die Kraft, ihre abartigen Gedankengänge nachzuvollziehen.
    Was hatte er heute Nachmittag gesehen?
    Wie Pharao sein Volk zu einem Massenhöhepunkt geführt hatte, einfach indem er die Worte des 104. Psalms vortrug? Woher kannte Pharao diese Verse? Stammten die Worte am Ende gar nicht aus der Feder von David, dem Autor der Psalmen? Hatte David ein altes ägyptisches Gebet umgedichtet? War es Blasphemie, so etwas auch nur zu denken? Hatte David vor, nach oder während dieser Epoche gelebt? Unmöglich; David war Gottes Liebling, er konnte kein Dieb sein. Also musste Pharao die Worte gestohlen haben, doch wie war er dazu gekommen? Cheftus Gedanken jagten einander, bis er beinahe eingeschlafen war, dann schoss er plötzlich hoch.
    Er war allein. Er konnte die Steine befragen! Stolpernd stand er von seiner Liege auf und ging ans Fenster, wo das Mondlicht auf den Urim und Thummim fiel. Seine Hände zitterten, als

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