Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho
nach Norden mit dem Schiff fortsetzen.
Doch auf Grund der Freudenfeiern überall im Königreich fuhren keine Schiffe. Semenchkare war eingetroffen.
Zur Huldigung wurden dem Volk die verbliebenen Vorratskammern geöffnet, damit es drei Tage lang feiern konnte, dass Pharaos Bruder - oder Cousin, das wusste niemand so genau -ohne Zwischenfälle den Hof erreicht hatte.
Drei Tage lang suchte Cheftu nach einer Überfahrt in den
Norden. Jeder, der Ägypten verlassen wollte, benötigte dazu einen Ausreisebrief, ausgestellt von dem für den Antragsteller zuständigen Tempel des Aton. Anfangs schien das kein Problem darzustellen. Doch dann erkundigte Cheftu sich genauer, lockerte ein paar Zungen mit Bier und erfuhr dabei, dass diese Briefe auf einem ganz besonderen Papyrus geschrieben wurden. Jede Fälschung würde sofort erkannt.
Cheftu fluchte. Jede Nacht warf er die Steine aus. Geh, geh, geh, wiederholten sie. »Ich versuche es ja!«, protestierte er frustriert. In den Straßen machten Geschichten über Semench-kares Ankunft in Achetaton die Runde.
Einige erzählten, er sei in einem goldenen Schiff nilabwärts gesegelt und besäße wie der ehemalige Nilgott sowohl Brüste als auch Phallus. Andere behaupteten, er sei aus der Wüste erschienen, in einem durchsichtigen Schleier und umgeben von lauter Kindern. Jeder glaubte, sie sei die Inkarnation einer Göttin, egal welcher, die Ägypten aus der allumfassenden Herrschaft des Atons herauslocken würde. Cheftu war lange genug Ägypter gewesen, um zu begreifen, dass die Vorstellung, Se-menchkare sei ein Mann, nicht notwendigerweise bedeuten musste, dass er nicht zugleich eine Göttin sein konnte. Dass irgendjemand anderes als dieser sirenenhaft säuselnde Krüppel über Ägypten herrschen sollte, war auf jeden Fall ein Grund zum Feiern!
Hatte Echnaton wirklich so wenig Ahnung von seinem Land?, fragte sich Cheftu, während er sich unter die Menge mischte und jemanden zu finden versuchte, der ihn ans große Grün segelte. Fest entschlossen, zu Chloe zu gelangen, erwarb er im Tausch für die Kataraktentfernung bei einer ganzen Familie Proviant und schlug dann den Weg über die Handelsstraße nach Kanaan ein. Sobald er den Wadi Ägyptens hinter sich gelassen hätte, würde er sich die Überfahrt zu den Pelesti erkaufen oder erfeilschen.
Doch in der dritten Nacht seiner Reise durch den Sand lauer-ten ihm Briganten auf. Er hörte sie nicht, er sah sie nicht, doch als sie erst vor ihm standen, roch er sie. Es waren Ziegenhirten. Sie durchwühlten sein Zelt nach Gold oder Juwelen und waren außer sich, dass er keine leicht zu verhökernden Schätze besaß, darum aßen sie stattdessen seinen Proviant auf.
Cheftu kannte ihren Dialekt nicht, doch einer der Männer hätte ihn am liebsten umgebracht. Zum Glück war der andere, der ihm das Messer an die Kehle hielt, vernünftiger. Sie legten ihm Fußfesseln an und schleuderten ihn dann auf den Sandboden in seinem Zelt, während sie weiter nach etwas suchten, das sie ihm abnehmen oder kaputtmachen konnten.
Die Steine! Er musste sie verstecken! Aber wo? Wenn sie ihm die Kleider abnahmen, würden sie die Steine finden. Er hatte keinen Beutel, keine geheime Tasche. Wenn er sie im Sand vergrub, waren sie und ihre Weisheit damit verloren. Dann würde er Chloe nie mehr finden.
Konnte er sie verschlucken? Dazu waren sie zu groß; wahrscheinlich würde er daran ersticken. Ganz zu schweigen davon, wie er sie dann wieder herausholen müsste.
Un moment ... Es war zwar eklig, doch es könnte klappen. Die Fesseln ließen ihm ausreichend Bewegungsfreiheit.
Als die Briganten hereinkamen, um ihn zu den anderen Gefangenen zu schleifen, wurde Cheftu nackt ausgezogen. Routiniert durchbohrten sie den Knorpel oben in seinen Ohrläppchen und zogen eine Kette durch die Löcher. Wodurch er bis an sein Lebensende als Sklave gezeichnet war.
Dann marschierten sie los nach Norden.
ZWEITER TEIL
4. KAPITEL
Ashquelon wurde ausspioniert; nicht offen, doch hatte ganz eindeutig jemand ein Auge auf uns geworfen. Ich hatte noch nie in einem Kriegsgebiet gelebt oder eine Invasion fürchten müssen. Die Hochländer - wie die Pelesti die Israeli oder Israeliten oder Juden oder was auch immer nannten - trieben sich an den Außengrenzen unseres Gebietes herum.
Wir standen unter Beobachtung.
Gespenstisch.
Wadia, Takala und Yamir berieten sich mit den Serenim der Stadt. Wie fast alle wichtigen Geschäfte wurde auch dieses in den Stadttoren erledigt.
Es handelte
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