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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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schlecht. Mich quälten Bilder von schwarzen Mädchen, die von ihren weißen Besitzern vergewaltigt wurden, von starken Männern, die ausgepeitscht wurden, von einem Teil der Bevölkerung, der auf fremden Feldern schwitzen musste.
    So sollte fortan mein Leben aussehen? Gestern noch Göttin, heute eine Sklavin - hatte ich mir irgendwas zu Schulden kommen lassen? Nein, es war keine persönliche Sache, die Umstände wollten es verrückterweise so. Vielmehr beschäftigte mich die Frage, wie das Volk der Bibel die Versklavung anderer Menschen zulassen konnte.
    Das Lexikon kritzelte auf die Tafel in meinem Geist: Hier gelten Sklaven nicht als persönliches Eigentum. Wie zu Zeiten der Römer oder Byzantiner stellen die Sklaven eine eigene Klasse innerhalb der Gesellschaft dar.
    Na toll, ich stand also ganz unten in der Nahrungskette?
    Du bist dafür verantwortlich, dass die Nahrungskette in Gang kommt, aber im Grunde hast du Recht. Du bist eine Drohne. Kein Sklave wie auf einer Südstaatenplantage, denn du hast weitaus mehr Rechte als jede dieser armen Seelen.
    Ich fasste an meine Ohren, während ich mir das durch den Kopf gehen ließ: Ich bin eine Drohne.
    Mein erster Eindruck von Mamre war der von Krach, Chaos und Kindern.
    Sie waren überall - sie rannten über die Straßen, zupften an Röcken, spielten laut lachend, arbeiteten an der Seite ihrer Eltern, kletterten auf Bäume oder verkrümelten sich in die Seitengassen. Kinder über Kinder.
    Für jemanden mit rasenden Kopfschmerzen, der seit einer Woche nicht gebadet hatte, war Mamre die Hölle. Die meisten
    Sklaven waren bei den Familien auf den Feldern geblieben, wo sie bei der Gerstenernte halfen.
    Ich hatte noch nie Gerste gegessen, ganz zu schweigen davon, dass ich welche geerntet hätte.
    Cheftu und ich wurden in die Stadt geführt, denn wir sollten im Palast dienen. Offenbar lebten alle Giborim, wie Daduas Führungsmannschaft genannt wurde, gemeinsam. Auch wenn wir Sklaven waren, würden wir wenigstens zusammenbleiben. Schon das allein war eine Menge wert. Bis jetzt war uns das nur selten vergönnt gewesen.
    Weil Mamre auf einem Hügel lag, war es nur schlüssig, dass die Stammesbrüder - wie sie sich selbst nannten - von allen anderen »Hochländer« genannt wurden. Es war eine alte Stadt. Windschief und halb verfallen lehnten die Gebäude aneinander. Selbst die Stadttore wirkten wenig eindrucksvoll. Doch dieser Ort war den Männern heilig, und zwar seit Lifnay, was so viel hieß wie »zuvor«, und zwar im Sinne von »Vor langer, langer Zeit .«
    Dafür bot sich, wenn man den Hügel heraufkam, ein atemberaubender Blick auf die terrassierten Abhänge und grünen Felder.
    Wir erreichten den Palast, marschierten aber an der halb eingesunkenen Front des Gebäudes vorbei bis zu dem Schlammpfad dahinter. Schließlich waren wir jetzt Sklaven. Kreischende und lachende Kinder rannten kreuz und quer durch unsere Gruppe. Mein Kleid, das vor den Toren Ashqelons noch von bezaubernder Schönheit gewesen war, war inzwischen blut-, schlamm-, dreck- und weinfleckig - es sah grässlich aus, ich hätte es am liebsten ausgezogen. Doch ich hatte nichts anderes.
    Drei Männer standen in dem kleinen, überfüllten Hof. Einer stellte sich als Aufseher vor. Es gebe drei Klassen von Sklaven, erläuterte er. Die kleinen Kinder waren Leibsklaven und stammten größtenteils aus den Stämmen selbst. Danach kamen die Stammesbrüder, Erwachsene, die von Armut oder Obdachlosigkeit in die Sklaverei gezwungen worden waren. Und dann kamen wir, die Niedrigsten der Niedrigen, denn wir zählten zu den Unbeschnittenen. Wir würden überall dort aushelfen, wo Not am Mann war.
    »Du.« Ein Mann vor einer verriegelten Tür deutete auf Cheftu. »Melde dich auf den Feldern.«
    »Man hat uns gesagt, wir würden zusammen in einem Haus wohnen«, sagte ich. »Wo ist das?«
    »Ihr seid das Ehepaar?« Der Mann musterte uns beide.
    »Ken«, antworteten wir wie aus einem Mund.
    Er zuckte mit den Achseln.
    »Es gibt jede Menge Wachkabinen, die ihr beziehen könnt.«
    »Aber -«, protestierte ich, doch er hatte sich bereits abgewandt.
    »Ich werde dich finden, chérie«, versicherte mir Cheftu, der bereits weggezerrt wurde.
    Noch mehr Kinder, diesmal älter und besser gekleidet, spielten in den Gängen und Gärten Fangen. Auf meinem Weg in einen weiteren Innenhof fiel mir auf, dass Erstere dunkel und eng waren und mich an Karnickelbauten erinnerten; und dass Letztere etwas Pflege vertragen hätten.
    Vom Morgen bis

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