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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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zu und lächelte bei den Namen Cornelius Agrippa und Paracelsus, jedoch ohne die Verachtung, die Herr Krempe an den Tag gelegt hatte. Er sagte, das seien Männer, deren unermüdlichem Eifer die modernen Wissenschaftler die meisten Grundlagen ihres Wissens verdankten. Sie hätten uns die uns überlassene Aufgabe erleichtert, die Tatsachen neu zu benennen und in zusammenhängende Klassifikationen einzuordnen, die in großem Umfang mit ihrer Hilfe ans Licht gekommen waren. Die Bemühungen genialer Männer, wie irrtümlich die eingeschlagene Richtung auch gewesen sein mag, werden fast immer letztlich zum greifbaren Vorteil der Menschheit ausschlagen. Ich hörte mir seine Behauptung an, die er ohne Anmaßung oder Ziererei vorbrachte, und erklärte, seine Vorlesung habe mein Vorurteil gegenüber modernen Chemikern beseitigt. Ich drückte mich in maßvollen Worten aus, mit der Bescheidenheit und Ehrfurcht, die einem jungen Mann gegenüber seinem Lehrer anstehen, ohne etwas von der Begeisterung zu verraten (aus mangelnder Lebenserfahrung hätte ich mich dessen geschämt), die meine geplante Arbeit auslöste. Ich bat ihn um seinen Rat, welche Bücher ich mir beschaffen solle.
    »Ich freue mich«, sagte Herr Waldmann, »einen Schüler gewonnen zu haben; und wenn Ihr Fleiß Ihren Fähigkeiten gleichkommt, zweifle ich nicht an Ihrem Erfolg. Die Chemie ist der Zweig der Naturwissenschaft, in dem die größten Fortschritte erzielt worden sind und sicher noch erzielt werden. Aus diesem Grunde habe ich sie zu meinem Spezialfach gemacht, doch zugleich habe ich die übrigen Zweige der Wissenschaft nicht vernachlässigt. Man würde einen recht armseligen Chemiker abgeben, wenn man sich allein diesem Ausschnitt des menschlichen Wissens widmete.
    Wenn es Ihr Wunsch ist, wirklich ein Wissenschaftler zu werden und nicht nur ein kleinlicher Experimentator, würde ich Ihnen raten, sich mit jedem Zweig der Naturwissenschaft zu befassen, einschließlich der Mathematik.«
    Dann führte er mich in sein Laboratorium und erklärte mir den Verwendungszweck der verschiedenen Apparate. Dabei riet er mir, welche ich mir beschaffen sollte, und versprach mir, die seinen benutzen zu dürfen, wenn ich in der Wissenschaft so weit fortgeschritten sei, ihren Mechanismus nicht zu beschädigen. Er gab mir auch die Bücherliste, um die ich gebeten hatte, und ich verabschiedete mich.
    So endete ein für mich denkwürdiger Tag: er entschied mein weiteres Schicksal.

Viertes Kapitel
    Von diesem Tag an wurde die Naturwissenschaft und besonders die Chemie, im umfassendsten Sinn des Begriffs, fast meine ausschließliche Beschäftigung. Ich las mit Inbrunst die Werke, so voll genialer Einsicht, die moderne Forscher zu diesen Themen geschrieben haben. Ich besuchte die Vorlesungen und pflegte die Bekanntschaft der Wissenschaftler an der Universität; und ich entdeckte sogar in Herrn Krempe ein beträchtliches Maß gesunder Vernunft und fundierter Kenntnisse, freilich in Verbindung mit unsympathischen Zügen und Manieren, doch darum nicht weniger wertvoll. In Herrn Waldmann fand ich einen wahren Freund. Seine Freundlichkeit zeigte nie einen Anflug von Dogmatismus, und seine Belehrungen brachte er mit einer Miene der Offenheit und des Wohlwollens vor, die jeden Gedanken an Pedanterie verbannte. Auf tausenderlei Weise ebnete er mir den Pfad des Wissens und machte die abstrusesten Forschungen meinem Auffassungsvermögen klar und eingängig. Mein Fleiß war zunächst noch schwankend und unbeständig; in dem Maße, wie ich fortschritt, erstarkte er und wurde bald so glühend und ungeduldig, daß die Sterne oft im Morgenlicht verblaßten, während ich noch in meinem Laboratorium beschäftigt war.
    Da ich mich so anstrengte, kann man sich leicht vorstellen, daß ich rasche Fortschritte machte. Mein brennender Eifer war in der Tat das Erstaunen der Studenten, und mein Wissen das der Lehrer. Professor Krempe fragte mich oft mit listigem Lächeln, wie Cornelius Agrippa denn vorankomme, während Herr Waldmann die herzlichste Begeisterung über meine Fortschritte äußerte. Auf diese Weise vergingen zwei Jahre, in denen ich Genf nicht besuchte, sondern mich mit Leib und Seele einigen Entdeckungen widmete, die ich zu machen hoffte. Nur jene, die die Verlockungen der Wissenschaft am eigenen Leibe erfahren haben, können sich einen Begriff davon machen. Bei anderen Studien geht man so weit, wie andere vorher gegangen sind, und mehr gibt es nicht zu wissen. Doch bei der

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