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Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
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da man ihre Verwirrung zuvor als Beweis ihrer Schuld gedeutet hatte, zwang sie sich zu einem mutigen Auftreten. Als sie den Gerichtssaal betrat, ließ sie den Blick in die Runde schweifen und entdeckte rasch, wo wir saßen. Eine Träne schien ihr Auge zu trüben, als sie uns sah. Doch sie faßte sich rasch, und ein Ausdruck liebevollen Kummers schien ihre gänzliche Schuldlosigkeit zu bezeugen.
    Der Prozeß begann, und nachdem der Ankläger die Beschuldigung vorgebracht hatte, wurden etliche Zeugen aufgerufen. Gegen Justine wirkten mehrere eigenartige Umstände zusammen, die jeden hätten betroffen machen können, der nicht über einen solchen Beweis ihrer Unschuld verfügte wie ich. Die ganze Nacht, in der der Mord geschah, war sie ausgewesen, und gegen Morgen hatte eine Marktfrau sie nicht weit von der Stelle gesehen, wo später die Leiche des ermordeten Kindes gefunden wurde. Die Frau hatte sie gefragt, was sie hier mache, doch sie wirkte ganz sonderbar und gab nur eine verworrene und unverständliche Antwort. Gegen acht Uhr kam sie ins Haus zurück; und als jemand fragte, wo sie die Nacht verbracht habe, antwortete sie, sie habe nach dem Kind gesucht, und erkundigte sich eindringlich, ob man etwas von dem Jungen gehört habe. Als man ihr die Leiche zeigte, verfiel sie in heftige hysterische Zustände und mußte tagelang das Bett hüten. Dann wurde das Bild vorgezeigt, das die Magd in ihrer Tasche gefunden hatte; und als Elisabeth mit stockender Stimme aussagte, es sei dasselbe, das die dem Kind eine Stunde, bevor es vermißt wurde, um den Hals gelegt habe, erfüllte ein Raunen des Abscheus und der Empörung den Gerichtssaal.
    Man rief Justine auf, sich zu verteidigen. Im Lauf des Prozesses hatte sich ihr Ausdruck verändert. Überraschung, Grauen und Jammer malten sich deutlich auf ihren Zügen. Manchmal kämpfte sie mit den Tränen. Doch als man sie fragte, was sie zu ihrer Verteidigung vorbringen könne, nahm sie alle Kraft zusammen und sprach mit vernehmlicher, wenn auch schwankender Stimme.
    »Gott weiß«, sagte sie, »wie gänzlich unschuldig ich bin. Aber ich erwarte nicht, daß meine Beteuerungen mich reinwaschen: ich stütze meine Unschuld auf eine schlichte und einfache Erklärung für die Tatsachen, die gegen mich vorgebracht worden sind, und ich hoffe, der gute Ruf, den ich immer hatte, wird meine Richter zu einer günstigen Auslegung bewegen, wenn irgendein Umstand zweifelhaft oder verdächtig erscheint.«
    Dann berichtete sie, sie habe mit Elisabeths Erlaubnis den Abend der Nacht, in der der Mord geschah, im Haus einer Tante in Chêne, einem etwa eine Meile von Genf entfernten Dorf, verbracht. Bei ihrer Rückkehr, gegen neun Uhr, sei sie einem Mann begegnet, der sie fragte, ob sie etwas von dem Kind gesehen habe, das vermißt werde. Diese Nachricht habe sie erschreckt, und sie habe mehrere Stunden mit der Suche nach dem Jungen zugebracht, bis die Stadttore von Genf geschlossen waren. So sei sie gezwungen gewesen, etliche Stunden der Nacht in der zu einem Bauernhaus gehörenden Scheune zu verbringen, denn sie habe die Bewohner nicht rufen wollen, denen sie gut bekannt sei. Den größten Teil der Nacht habe sie wachend verbracht. Gegen Morgen habe sie wohl ein paar Minuten geschlafen, das Geräusch von Schritten habe sie geweckt. Es habe schon gedämmert, da habe sie ihr Obdach verlassen, um weiter nach meinem Bruder zu suchen. Wenn sie in die Nähe der Stelle gekommen sei, wo seine Leiche lag, so sei das ohne ihr Wissen geschehen. Daß sie verwirrt war, als die Marktfrau sie ausfragte, sei nicht erstaunlich, da sie eine schlaflose Nacht verbracht hatte und das Schicksal des armen Wilhelm noch ungewiß war. Zu dem Bildnis könne sie nichts sagen.
    »Ich weiß«, fuhr das unglückliche Opfer fort, »wie schwer und verhängnisvoll dieser eine Umstand gegen mich wiegt, aber es liegt nicht in meiner Macht, ihn aufzuklären. Und wenn ich meine völlige Ahnungslosigkeit beteuert habe, kann ich nur Vermutungen anstellen, wie es in meine Tasche gekommen sein könnte. Aber auch hier komme ich nicht weiter. Ich glaube, daß ich auf der Welt keinen Feind habe, und gewiß wäre doch niemand so schlecht gewesen, mich mutwillig zu vernichten. Hat der Mörder es hineingesteckt? Ich wüßte nicht, wann ich ihm eine Gelegenheit dazu gegeben hätte, und wenn doch, warum sollte er den Schmuck gestohlen haben, nur um sich so bald wieder davon zu trennen?
    Ich überantworte meinen Fall der Gerechtigkeit meiner Richter,

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