Frankenstein
zu sprechen. Ich blieb stumm.
»Liebst du also eine andere?«
»Keine auf der Welt. Ich liebe Elisabeth und freue mich maßlos auf unsere Heirat. Bestimme also den Tag. Und an diesem Tag will ich mich auf Leben und Tod dem Glück meiner Kusine weihen.«
»Mein lieber Viktor, sprich nicht so. Schweres Unglück hat uns betroffen, doch wollen wir uns nur um so fester an das klammern, was uns geblieben ist, und unsere Liebe für jene, die wir verloren haben, auf die noch Lebenden übertragen. Unser Kreis wird klein sein, aber eng verknüpft durch die Bande der Liebe und des gemeinsamen Unglücks. Und wenn die Zeit deine Verzweiflung gedämpft hat, werden neue und liebe Ziele der Fürsorge geboren, um jene zu ersetzen, die uns so grausam entrissen worden sind.«
So lauteten die Lehren meines Vaters. Doch für mich kehrte die Erinnerung an die Drohung zurück. Sie dürfen es auch nicht verwunderlich finden, daß ich den Unhold als geradezu unbesiegbar betrachtete, so allmächtig hatte er sich bei seinen bisherigen Bluttaten erwiesen. Und daß ich nach seinen Worten: »In deiner Hochzeitsnacht bin ich bei dir«, das angedrohte Schicksal als unausweichlich ansah. Doch der Tod war für mich kein Übel, wenn der Verlust Elisabeths auf der anderen Waagschale lag, deshalb stimmte ich mit zufriedener und sogar heiterer Miene meinem Vater zu, falls meine Kusine einverstanden sei, möge die Zeremonie in zehn Tagen stattfinden, und besiegelte damit, wie ich glaubte, mein Schicksal.
Großer Gott! Hätte ich auch nur einen Augenblick geahnt, was die höllische Absicht meines teuflischen Gegners sein mochte, hätte ich mich eher für immer selbst aus meinem Vaterland verbannt und wäre als Verlassener und Ausgestoßener auf der Erde umhergeirrt, als mich mit dieser verhängnisvollen Heirat einverstanden zu erklären. Doch als wäre es mit magischen Kräften begabt, hatte das Ungeheuer mich seinen wahren Absichten gegenüber blind gemacht. Und als ich glaubte, ich hätte nur meinen eigenen Tod in die Wege geleitet, beschleunigte ich den eines weit teureren Opfers.
Als der für unsere Vermählung festgesetzte Zeitpunkt näher rückte, spürte ich, ob aus Feigheit oder einer prophetischen Ahnung heraus, wie mir das Herz immer schwerer wurde. Doch ich verbarg meine Gefühle hinter einer ausgelassenen Miene, die Lächeln und Freude im Antlitz meines Vaters hervorrief, doch das stets wachsame und schärfere Auge Elisabeths kaum zu täuschen vermochte. Sie blickte unserer Heirat mit fröhlicher Zufriedenheit entgegen, in die sich doch eine von den früheren Schicksalsschlägen geprägte leise Angst mischte, was jetzt als sicheres und greifbares Glück erscheine, könnte sich bald in einen luftigen Traum auflösen und keine Spur hinterlassen außer tiefer und immerwährender Trauer.
Die Vorbereitungen für das Ereignis waren in vollem Gange. Wir empfingen Gratulationsbesuche, und alle trugen eine strahlende Miene zur Schau. Ich verschloß, so gut ich konnte, in meinem Herzen die dort nagende Angst, und ging mit scheinbarem Eifer auf die Pläne meines Vaters ein, obwohl sie womöglich nur als Ausschmückung meiner Tragödie dienen würden. Dank der Bemühungen meines Vaters hatte die österreichische Regierung Elisabeth einen Teil ihres Erbes zurückgegeben. Ein kleiner Besitz am Ufer des Corner Sees war ihr Eigentum. Es war abgemacht, daß wir unmittelbar nach der Trauung zur Villa Lavenza abreisen und die ersten Tage unseres Glücks an dem schönen See verbringen würden, in dessen Nähe sie stand.
Inzwischen traf ich alle Vorkehrungen zu meiner Verteidigung, falls der Unhold mich offen angreifen sollte. Ich trug immer Pistolen und Dolch bei mir und war ständig auf der Hut vor möglichen Winkelzügen. Auf diese Weise gewann ich etwas mehr Seelenruhe. In der Tat, als die Zeit heranrückte, wirkte die Drohung mehr wie ein Blendwerk, das es nicht wert war, mich in meinem Frieden zu stören, während das Glück, das ich mir in der Ehe erhoffte, immer mehr an Gewißheit gewann, je näher der Tag der feierlichen Besiegelung kam, zumal ringsum alles ständig von dem Ereignis sprach, als könnte es keinerlei möglicher Zwischenfall mehr verhindern.
Elisabeth schien glücklich. Meine Gelassenheit trug wesentlich dazu bei, sie zu beruhigen. Doch an dem Tag, der meine Wünsche und mein Geschick erfüllen sollte, war sie schwermütig, und eine böse Vorahnung erfüllte sie. Vielleicht dachte sie auch an das furchtbare Geheimnis, das ich ihr am
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