Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frankenstein

Frankenstein

Titel: Frankenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Wollstonecraft Shelley
Vom Netzwerk:
nächsten Tag zu enthüllen versprochen hatte. Mein Vater war mittlerweile überglücklich, und in der Geschäftigkeit der Vorbereitungen sah er in der Schwermut seiner Nichte nur die Befangenheit einer Braut.
Nachdem die Zeremonie vollzogen war, versammelte sich im Haus meines Vaters eine große Gesellschaft. Doch es war ausgemacht, daß Elisabeth und ich unsere Reise zu Wasser beginnen, die Nacht in Evian verbringen und am nächsten Tag weiterreisen sollten. Das Wetter war schön, der Wind günstig, alles lächelte unserem hochzeitlichen Aufbruch zu.
Das waren die letzten Augenblicke meines Lebens, in denen ich das Gefühl des Glücks genoß. Wir fuhren rasch dahin. Die Sonne brannte heiß, doch eine Art Baldachin schützte uns vor ihren Strahlen, während wir uns an der schönen Landschaft erfreuten, manchmal an dem einen Ufer des Sees, wo wir den Mont Salêve sahen, die freundlichen Hänge des Montalègre und in der Ferne, alle überragend, den schönen Mont Blanc und die Versammlung schneebedeckter Gipfel, die vergeblich ihm gleichzukommen bemüht waren. Manchmal fuhren wir am anderen Ufer entlang und sahen den mächtigen Jura, der seine dunkle Seite dem Ehrgeizigen entgegenstellte, der sein heimatliches Land verlassen wollte, und eine fast unüberwindliche Schranke gegen den Eindringling aufrichtete, der es etwa zu unterjochen gedachte.
Ich nahm Elisabeth bei der Hand: »Du bist bedrückt, Liebste. Ach! Wenn du wüßtest, was ich gelitten habe und was mir vielleicht noch zu ertragen bevorsteht, würdest du danach trachten, mich die Ruhe und die Freiheit von der Verzweiflung auskosten zu lassen, die mir zumindest an diesem einen Tag zu genießen erlaubt ist.«
»Gib dich doch dem Glück hin, mein lieber Viktor«, erwiderte Elisabeth, »ich hoffe, dich peinigt nichts, und glaube mir, auch wenn sich auf meinem Gesicht keine überschwengliche Freude abzeichnet, mein Herz ist zufrieden. Etwas flüstert mir zu, mich nicht zu sehr auf die Zukunft zu verlassen, die sich vor uns ausbreitet. Aber ich will nicht auf eine so unheimliche Stimme hören. Sieh doch, wie rasch wir vorankommen und wie die Wolken, die den Gipfel des Mont Blanc manchmal verhüllen und dann wieder freigeben, diese schöne Aussicht nur noch interessanter machen. Und sieh die unzähligen Fische, die im klaren Wasser schwimmen, wo wir jeden Kieselstein auf dem Grund erkennen können. Welch himmlischer Tag! Wie glücklich und heiter, die ganze Natur aussieht!«
Derart war Elisabeth bemüht, ihre und meine Gedanken von jeder Grübelei über betrübliche Dinge abzulenken. Doch ihre Stimmung war veränderlich; augenblicksweise leuchtete ihr das Glück aus den Augen, doch dauernd wich es der Zerstreutheit und Traumversunkenheit.
Die Sonne sank tiefer. Wir fuhren an der Drance vorbei und verfolgten ihren Weg durch die Schluchten der höheren und die Wäldchen der niedrigeren Berge. Hier rücken di Alpen näher an den See heran, und wir hielten auf das Amphitheater der Berge zu, das seine östliche Begrenzung bildet. Der Kirchturm von Evian leuchtete am Fuß der umgebenden Wälder und der Kette von Bergen über Bergen, die darüber aufragen.
Der Wind, der uns bisher mit erstaunlicher Geschwindigkeit vorwärtsgetragen hatte, verebbte bei Sonnenuntergang zu einer schwachen Brise. Die milde Luft kräuselte leise das Wasser und rauschte sacht in den Bäumen, als wir uns dem Ufer näherten, woher sie einen berauschenden Duft von Blüten und Heu herüberwehte. Als wir landeten, sank die Sonne unter den Horizont. Kaum hatte ich das Ufer betreten, fühlte ich, wie jene Sorgen und Ängste wieder auflebten, die mich bald umklammern und für immer an mir haften sollten.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    Es war acht Uhr, als wir landeten. Kurze Zeit schritten wir am Ufer entlang und freuten uns an dem vergänglichen Licht, dann zogen wir uns in den Gasthof zurück und betrachteten das schöne Bild der Gewässer, Wälder und Berge, die allmählich in der Dunkelheit versanken, doch noch immer ihre schwarzen Umrisse erkennen ließen.
    Nachdem sich der Wind von Süden her gelegt hatte, frischte er kräftig von Westen auf. Der Mond hatte seinen höchsten Punkt am Himmel erreicht und begann zu sinken. Die Wolken jagten schneller über ihn hinweg als der Flug des Geiers und verdunkelten seine Strahlen, während der See das Bild des unruhigen Himmels zurückwarf, wozu die rastlosen Wellen, die sich jetzt zu erheben begannen, mit ihrer Unruhe vermehrt beitrugen. Plötzlich ging ein

Weitere Kostenlose Bücher