Frankenstein - Der Schatten: Roman (German Edition)
weltabgeschieden hinter unheilvollen Wolken weilten, war Crosswoods größtenteils in Dunkelheit getaucht, doch draußen in der schwarzen Ferne brannten ein paar kleine Feuer.
Carson und Michael folgten dem Hund in Begleitung von Nick Frigg und Gunny Alecto, die den Schein ihrer Taschenlampen so gezielt auf Schlaglöcher und die Stellen richteten, wo der abbröckelnde Rand des Walls heimtückisch sein könnte, als sei ihnen jede kleinste Einzelheit dieses Geländes ins Gedächtnis eingeprägt.
»Ich bin ein Gamma«, sagte Nick, »oder ich war es mal, und Gunny hier – sie ist eine Epsilon.«
»Oder war es mal«, sagte sie. »Jetzt bin ich freigeboren wiedergeboren, und ich hasse nicht mehr. Ich fürchte mich nicht mehr.«
»Es ist, als hätten wir mit Stahlbändern um unsere Köpfe gelebt, und jetzt sind sie durchgeschnitten worden, und der Druck ist weg«, sagte Nick.
Carson wusste nicht, was sie von diesen seltsamen Wiedergeburtsäußerungen halten sollte. Sie rechnete immer
noch damit, dass sich einer von den beiden plötzlich auf sie stürzen würde, mit ebenso wenig Wohlwollen wie eine Kreissäge.
»Spülbecken Spachtel Spaten Sinn Suppe Stein Springbrunnen Spinat Soda Sand Samen Sex. Sex! « Gunny lachte voller Freude, weil sie das Wort gefunden hatte, das sie sagen wollte. »Mannomann, ich frage mich, wie es sein wird, wenn die ganze Bande von der Kippe sich das nächste Mal gemeinsam aufgeilt und sie auf jede denkbare Art aufeinander losgehen, aber keiner von uns wütend ist, keiner boxt oder beißt, sondern alle nur das bessere Zeug miteinander tun. Das sollte interessant werden.«
»Das sollte es werden«, sagte Nick. »Interessant. Okay, Leute, hier geht’s lang, wir steigen eine Rampe runter in die Westgrube. Seht ihr die Fackeln und die Öllampen weit dort draußen? Dort erwartet euch Deucalion.«
»Er wartet draußen bei dem großen Loch«, sagte Gunny.
Nick sagte: »Wir gehen alle nochmal in das große Loch hinunter.«
»Eine beachtliche Nacht«, meinte Gunny.
»Eine ganz schön verrückte Nacht«, stimmte Nick ihr zu.
»Was für eine Nacht, stimmt’s, Nick?«
»Was für eine Nacht«, sagte Nick zustimmend.
» Nochmal in das große Loch runter?«
»Das ist ein gewaltig großes Loch.«
»Und wir gehen nochmal runter!«
»Das tun wir, ganz bestimmt. Ins große Loch.«
»Mutter aller Schiefgegangenen!«
»Da kriegt man was zu sehen.«
»Ich bin schon ganz scharf«, sagte Gunny.
»Ich bin auch schon ganz scharf«, sagte Nick.
Gunny griff Nick zwischen die Beine und sagte: »Ich wette, das bist du!«
»Du weißt, dass ich es bin.«
»Du weißt, dass ich weiß, dass du es bist.«
»Glaubst du, das wüsste ich nicht?«
Noch ein solcher Gedankenaustausch, vermutete Carson, bestenfalls zwei, und sie würde entweder das Weite suchen und schleunigst zum Wagen zurückrasen oder die Urban Sniper in die beiden leeren.
Michael rettete sie und ihre Zurechnungsfähigkeit, indem er den Rhythmus aufbrach und Nick fragte: »Wie kann man mit diesem Gestank leben?«
»Wie kann man ohne ihn leben?«, fragte Nick zurück.
Vom oberen Ende des Walls stiegen sie einen Erdhang in die Westgrube hinunter. Abfälle knirschten und knisterten und raschelten unter ihren Füßen, aber sie waren kompakt, eine feste Masse, die sich kaum verschob.
Mehr als ein Dutzend Leute standen bei Deucalion, aber er war einen Kopf größer als der Größte von ihnen. Er trug seinen langen schwarzen Umhang und hatte die Kapuze zurückgeworfen. Sein Gesicht mit der zerstörten und tätowierten Hälfte wurde durch den Schein der Fackeln von unten angestrahlt und war nicht so verstörend, wie es das in dieser Kulisse und unter den gegebenen Umständen hätte sein sollen. Ganz im Gegenteil strahlte er sogar eine ruhige Selbstsicherheit und eine unbeirrbare Entschlossenheit aus, die Carson an ihren Vater erinnerte, der beim Militär gewesen war, bevor er Detective wurde. Ja, Deucalion strahlte die Form von Kompetenz und Integrität aus, die andere Männer motivierte, einem Anführer in die Schlacht zu folgen – und offenbar würden sie genau das demnächst tun.
Michael sagte zu ihm: »He, Sie langer Lulatsch, Sie stehen da, als wären wir in einem Rosengarten. Wie können Sie diesen Gestank ertragen?«
»Gezielt eingesetzte Synästhesie«, erklärte Deucalion.
»Ich bringe mich durch die Koppelung getrennter Wahrnehmungsdomänen dazu, die üblen Gerüche nicht als solche, sondern als Farben wahrzunehmen. Ich sehe uns in
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