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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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dieser Ansicht nur noch bestärkt hat. Kurz,
einige Monate nach Deiner Abfahrt nach Ingolstadt wurde Justine zu
ihrer Mutter zurückberufen. Armes Ding! Sie weinte bitterlich, als
sie uns verließ; seit dem Tode Deiner Mutter war sie ganz verändert
und ihre frühere Lebhaftigkeit war einer herzgewinnenden Weichheit
und Milde gewichen. Aber der Aufenthalt bei ihrer Mutter war gar
nicht geeignet, sie wieder fröhlich zu machen. Die arme Frau war
nicht sehr beständig in ihrer Reue. Oftmals bat sie Justine, ihr
doch ihre Unfreundlichkeiten zu verzeihen, aber dann wieder klagte
sie sie an, daß sie am Tode ihrer Brüder und Schwestern schuld sei.
Dieser immerwählende Gram nagte an Frau
Moritz, die immer verdrießlicher und reizbarer wurde, bis sie
endlich auf ewig Ruhe fand. Sie starb bei dem Herannahen des kalten
Wetters zu Beginn des letzten Winters. Justine ist wieder bei uns
und ich kann Dir nur versichern, daß ich sie herzlich lieb habe.
Sie ist sehr klug und nett und außergewöhnlich hübsch. Wie ich Dir
schon sagte, erinnert sie mich in Miene und Haltung immerwährend an
Deine Mutter.
    Noch muß ich Dir mit ein paar Worten über unseren lieben,
kleinen Wilhelm berichten. Ich wollte, Du könntest ihn sehen. Er
ist sehr groß für sein Alter, hat lachende, blaue Augen, dunkle
Augenbrauen und gelocktes Haar. Wenn er lacht, erscheinen auf
seinen Wangen zwei rosige Grübchen. Er hat bereits einige kleine
Bräute; die liebste von allen ist ihm aber Luise Biron, ein
reizendes Kind von fünf Jahren.
    Ich nehme an, daß Dir auch ein kleiner Klatsch über unsere
Genfer Bekannten erwünscht ist. Fräulein Mansfeld hat sich mit
einem jungen Engländer, Herrn John Melbourne, verlobt, während ihre
häßliche Schwester Manon letzten Herbst einen reichen Bankier,
Herrn Duvillard, geheiratet hat. Dein Schulfreund Ludwig Manoir hat
mit viel Mißgeschick zu kämpfen gehabt. Es geht ihm aber jetzt
wieder gut und man erzählt sich, daß er im Begriffe sei, eine
liebenswürdige Französin, Frau Tavernier, zu heiraten. Sie ist
Witwe und viel älter als er; aber sie wird von allen Seiten verehrt
und angebetet.
    Während des Schreibens merke ich, daß ich mich selbst damit in
bessere Laune versetzt habe; aber nun, wo ich schließen möchte,
kehrt meine Angst wieder. Schreibe, lieber, guter Viktor, eine
Zeile, ein Wort wird uns reich machen. Henry lassen wir tausendmal
danken für seine Liebe, seine Güte und seine vielen Briefe; wir
werden es ihm nie vergessen. Lebwohl, Lieber; schone Dich recht und
vergiß nicht zu schreiben – ich bitte Dich darum!

Genf, den 18. März
17..
    Elisabeth Lavenza.
    »Teure, geliebte Elisabeth,« rief ich aus,
nachdem ich den Brief zu Ende gelesen, »ich werde sofort schreiben
und dich von der Angst befreien, die du um mich hast.« Ich schrieb
– allerdings nicht ohne bedeutende Anstrengung; aber meine Genesung
hatte begonnen und machte rasche Fortschritte. Nach weiteren
vierzehn Tagen durfte ich das erste Mal wieder mein Zimmer
verlassen.
    Das erste, was ich nach meiner Genesung tat, war, daß ich
Clerval bei verschiedenen Professoren der Universität einführte.
Daß dabei mehrere Wunden meiner Seele wieder aufbrachen, ist nicht
zu verwundern. Seit jener Unglücksnacht, die das Ende meiner Mühen,
aber auch den Anfang meines Elends bildete, hatte ich einen
gewissen Widerwillen schon gegen das Wort Naturphilosophie. Wenn
ich auch gesundheitlich vollkommen wiederhergestellt war, so war
doch schon der Anblick eines der Chemie dienenden Instrumentes
geeignet, von neuem nervöse Erschütterungen hervorzurufen. Henry
hatte das gemerkt und deshalb alle Apparate wegräumen lassen. Er
hatte auch dafür Sorge getragen, daß ich ein anderes Zimmer bezog,
denn er empfand, daß ich ein Grauen vor dem Raume hatte, der mir
bisher als Laboratorium gedient. Aber all die Vorsichtsmaßregeln
halfen nicht, als wir unsere Besuche bei den Professoren machen
mußten. Herr Waldmann verursachte mir Qualen, als er gütig und
ehrlich die erstaunlichen Fortschritte pries, die ich in den
Wissenschaften gemacht hatte. Er fühlte bald heraus, daß mir dieses
Thema unangenehm war; da er aber meine inneren Beweggründe nicht
wissen konnte, schrieb er meine Verlegenheit meiner Bescheidenheit
zu und wechselte das Thema insofern, als er auf die Wissenschaft im
allgemeinen überging, allerdings in der Absicht, mich
herauszustreichen. Was sollte ich tun? Er meinte es gut, tat mir
aber weh. Mir war es wie einem, dem man nach und nach

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