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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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der
stürzenden Lawinen und erkannte den Schneestaub, den sie im Falle
aufwirbelten. Im Hintergrunde des Tales erhob sich der herrliche,
unvergleichliche Montblanc wie ein König.
    Oft durchzog mich während dieser Reise das langentbehrte Gefühl
der Freude. Jede Wendung der Straße, jeder neue Anblick rief mir
die Jugend mit ihrem leichtherzigen Frohsinn in die Erinnerung
zurück. Die Winde schienen mir beruhigend zuzuflüstern und Mutter
Natur bat mich, nicht mehr zu klagen. Wenn aber der Einfluß der
mich umgebenden Schönheit einen Augenblick aussetzte, dann
überwältigte mich wieder der Gram und ich versenkte mich von neuem
in meine schmerzlichen Grübeleien. Dann trieb ich mein Tier zu
rascherer Gangart an, um so die Welt, meine Sorgen und vor allem
mich selbst zu vergessen, oder ich stieg ab und warf mich zur Seite
des Pfades auf die Erde, niedergedrückt von Entsetzen und Leid.
    Schließlich kam ich nach Chamounix, wo die tiefste Erschöpfung
den außerordentlichen körperlichen und seelischen Anstrengungen
folgte. Kurze Zeit stand ich noch am Fenster meines Gasthofes und
sah hinauf zum Montblanc, um dessen majestätisches Haupt bleiche
Blitze zuckten, und horchte auf das Rauschen der Arve, die
unermüdlich ihren rauhen Weg ins Tal verfolgte. Dieses gleichmäßige
Geräusch wirkte einschläfernd auf meine erregten Gefühle, und als
ich dann meinen Kopf auf die Kissen bettete, empfand ich, wie der
Schlaf, der Tröster, langsam auf meine Augen sank.

Kapitel 10
     
    Den folgenden Tag benützte ich, um das Tal zu durchstreifen. Ich
stand an der Quelle des Arveiron, am Fuße des Gletschers, der mit
langsamen Schritten von der Höhe hinabgleitet. Zu beiden Seiten
ragten schroffe Felshänge gegen den Himmel und vor mir lag die
mächtige Fläche des Gletschers. Einige zerbrochene Fichten lagen
ringsherum zerstreut, und das feierliche Schweigen ward nur
unterbrochen durch das Murmeln des Baches oder das Poltern eines
herabfallenden Felsstückes, das Donnern von Lawinen oder das
Krachen berstenden Eises, das an den Wänden widerhallte. Dieses
majestätische Schauspiel vermochte mir etwas Ruhe zu geben. Es
erhob mich und ließ mich das als klein empfinden, was ich fühlte.
Jedenfalls zerstreuten sie die düsteren Gedanken, über die ich die
letzten zwei Monate nicht hinausgekommen war. Als ich abends
heimkehrte und mich zur Ruhe legte, verflocht sich das Herrliche,
was ich den Tag über gesehen, in meine Träume. Alle kamen sie:
schneebedeckten Bergspitzen, die schimmernden Felszinnen, die
Fichten und das zerklüftete Tal, der Adler, der seine Kreise in den
Lüften zieht; sie alle kamen und baten, daß ich mich beruhigen
möge.
    Aber wohin waren sie entflohen, als ich am nächsten Tage die
Augen auftat? Alle Fröhlichkeit war mit dem Schlaf entflohen und
eine graue Wolke tiefster Melancholie lagerte auf meiner Seele. Der
Regen rauschte in Strömen hernieder und dichte Nebel verhüllten die
Häupter meiner geliebten Berge. Trotzdem beschloß ich, den
Nebelschleier zu durchdringen und hinaufzusteigen auf die steilen
Höhen. Was bedeuteten mir Sturm und Regen? Man brachte mir mein
Maultier und ich machte mich auf den Weg nach dem Montanvert. Ich
erinnerte mich des Eindruckes, den der mächtige, immer von Unruhe
erfüllte Gletscher ausgeübt hatte, als ich ihn das erste Mal sah.
Sein Anblick hatte mich damals in Entzücken versetzt und meiner
Seele Schwingen verliehen, die sie weit über den Alltag hinaus in
lichte, freudige Gefilde erhoben. Das Erhabene in der Natur hatte
mir immer Feierstimmung eingeflößt und mich
die kleinlichen Sorgen vergessen lassen. Ich beschloß auf den
Führer zu verzichten, denn ich kannte ja Weg und Steg hier oben und
fürchtete, die Anwesenheit eines Zweiten würde mir die Stimmung
verderben.
    Der Anstieg ist sehr steil, aber der Weg ist in weiten
Serpentinen in die Wand eingeschnitten, so daß die Überwindung des
senkrechten Absturzes möglich wird. Es ist ein Bild furchtbarster
Öde und Einsamkeit, das sich hier den Augen bietet. An tausend
Stellen bemerkte man noch die Spuren der winterlichen Lawinen,
zerbrochene und abgerissene Bäume bezeichnen die Wege, die sie
gegangen. Einzelne Bäume waren vollkommen vernichtet, andere
beugten sich schräg über den Abgrund oder lehnten sich müde an
andere, die noch festgeblieben. Der Weg wird, je höher man steigt,
umso öfter von Schneewällen unterbrochen, auf denen unaufhörlich
Steinbrocken zu Tale schießen. An einzelnen Stellen ist

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