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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Shelley
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Verfluchter Satan, du wirfst mir vor,
daß ich dich schuf! Komm her, und ich will den Funken zertreten,
den ich in so leichtfertiger Weise angefacht.«
    Der Zorn packte mich und ich sprang auf ihn ein, getrieben von
dem tötlichsten Haß, dessen eine Menschenbrust fähig ist.
    Gewandt wich er meinem Angriff aus und sagte:
    »Beruhige dich! Ich flehe dich an, höre, was ich dir zu sagen
habe, ehe du deinem Zorn gegen mich freien Lauf gewährst. Habe ich
noch nicht genug Leid getragen, daß auch du es noch vergrößern
mußt? Das Leben, mag es auch nur eine Reihe von Qualen für mich
sein, so ist es mir doch lieb und ich bin gesonnen es zu
verteidigen. Vergiß nicht, daß du mich viel stärker gemacht hast
als du selbst bist; ich bin größer als du und meine Glieder sind
mächtiger als die deinen. Aber ich habe gar nicht die Absicht,
meine Kräfte gegen dich zu erproben. Ich bin deine Kreatur und ich
will dir, meinem Herrn und König, dankbar und ergeben sein, wenn du das tust, was du mir schuldest.
Frankenstein, du bist gerecht und gut gegen andere, nur gegen mich
allein, der deiner Liebe, Güte und Gerechtigkeit am meisten bedarf,
bist du grausam und hart. Bedenke doch, daß ich ein Werk deiner
Hände bin! Eigentlich sollte ich der Adam sein, aber ich bin mehr
der gefallene Engel, einer, den du aus dem Paradies vertreibst und
elend machst. Überall sehe ich Freude und soll doch ihrer nie
teilhaftig werden. Ich war gut und wohlwollend; das Unglück hat
mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Verschaffe mir das Glück
und ich will stille sein.«
    »Pack dich! Ich will nichts mehr von dir hören. Zwischen dir und
mir kann es keine Gemeinschaft geben, wir sind Todfeinde. Geh oder
laß uns unsere Kräfte im Kampfe messen, in dem einer von uns
bleiben muß!«
    »Wie kann ich dein Herz rühren? Kann denn kein Bitten, kein
Flehen dich bewegen, gnädig auf dein Geschöpf zu blicken, das dich
um Güte und Mitleid bittet? Glaube mir, Frankenstein, ich war
anfangs nicht böse, in meiner Seele wohnten Güte und Liebe; aber
ich bin allein, so furchtbar allein. Du, mein Schöpfer,
verabscheust mich, und was habe ich von deinen Mitmenschen zu
erwarten, die mir so gar nicht nahestehen? Sie hassen und verfolgen
mich. Die öden Berghalden und traurigen Gletscher sind meine
Zufluchtsorte. Ich habe mich hier so manchen Tag aufgehalten. Die
Eishöhlen, die allein ich nicht fürchte, sind meine Wohnstätten,
und um sie beneidet mich kein menschliches Wesen. Ich segne diesen
kalten Himmel, denn er ist gütiger mit mir als deine Mitmenschen.
Glaube mir, es wissen ja nicht viele von meiner Existenz; aber wenn
das der Fall wäre, dann würden sie sich, wie du, zu meiner
Vernichtung entschließen. Soll ich denn die nicht hassen dürfen,
die mich so verabscheuen? Und ich lasse nicht mit mir spaßen. Ich
bin elend und verflucht und sie sollen es auch werden. Du hast es
in der Gewalt, mich versöhnlich zu stimmen und die Welt von einem
Ungeheuer zu befreien, das nicht nur dich und die Deinen, sondern
auch Tausende anderer im Wirbelwinde seines Zornes zermalmen kann.
Habe Mitleid mit mir und verachte meine
Bitten nicht. Höre, was ich dir erzähle, und dann überlaß mich
meinem Schicksal oder habe Mitleid mit mir; wie du meinst, daß ich
es verdiene. Aber höre mich zuerst an. Eure Menschengesetze sind
roh und blutig, aber dennoch gestatten sie dem Verbrecher, zu
seiner Verteidigung das Wort zu ergreifen. Höre mich an,
Frankenstein. Du beschuldigst mich des Mordes und wolltest, ohne
daß sich dein Gewissen geregt hätte, dein Geschöpf vernichten.
Gepriesen sei die ewige Gerechtigkeit der Menschen! Aber ich bitte
dich gar nicht um Schonung. Höre mich zuerst an, und dann, wenn du
kannst und mußt, dann zerstöre das Werk deiner Hände.«
    »Warum erinnerst du mich,« erwiderte ich, »an die unseligen
Ereignisse, die mich heute noch erschauern machen, an die Zeit, da
ich dich ins Leben rief? Verdammt sei der Tag, elender Teufel, da
du das erste Mal das Licht sahst. Verflucht seien die Hände, die
dich formten! Du hast mich über alle Maßen unglücklich gemacht. Du
hast mir die Kraft genommen zu unterscheiden, was gut und böse ist.
Geh! Laß mich deine verhaßte Gestalt nie wieder sehen.«
    »So will ich meine Gestalt deinen Blicken entziehen,« sagte er
und hielt mir seine mächtige Hand vor die Augen, die ich mit Grauen
wegschlug. »So könntest du mich wenigstens hören und Mitleid mit
mir haben. Bei meinem besseren Ich beschwöre ich dich,

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