Franklin Gothic Medium (German Edition)
gering. Stunde um Stunde war vergangen und ihr Hirn hatte sich, gleich einem Pitbull mit Maulsperre, an der ängstlichen Imagination festgebissen, dies könnte der eine Zwist zu viel gewesen sein; der finale Streit, nachdem man sic h eben nicht wieder versöhnte.
Sie beeilte sich mit ihren Besorgungen, legte eine unnatürliche Hektik an den Tag. Doch als würde das Universum mit dem sprichwörtlichen Zaunpfahl winken und sagen: “ Hey Baby, take it easy, take it slow !”, waren die Straßen überfüllt. Alte Omas kreuzten mit Gehhilfen ihren Weg; schlurften mit enervierender Langsamkeit vor ihr her und trafen sich dort, wo man ohnehin wenig Platz zum Gehen hatte. Sie rotteten sich zusammen zu regelrechten Rudeln, hechelnd, sabbernd und die Ohren spitzend, um den neuesten Klatsch und Tratsch zu erfahren. Die Schlange an der Kasse war endlos lang, was jedoch keine der schlecht bezahlten und dementsprechend unmotivierten Verkäuferinnen dazu veranlasste noch eine zweite Zahlstelle z u öffnen; anstatt sich dem neu s ortieren von Klopapier in alphabethischer Reihenfolge, abgeleitet vom Herstellernamen, zu widmen. An der Kasse selbst folgten die vom Management geforderten Fragen, hatte man auch den Werbeprospekt der Kette erhalten, war man deswegen in den Laden gekommen, war denn alles in Ordnung bei Ihnen?
Das Maß war fast voll, der nächste Tropfen würde ihr Fass zum Überlaufen bringen, sie würde die Contenance verlieren, der Verkäuferin Tiernamen geben oder schlicht zur rasenden Irren werden. Allein das Wissen, dass sie jeglicher Gefühlsausbruch nur noch mehr Zeit kosten würde, hielt sie zurück.
Beladen mit ihren Einkäufen hastete sie gen Heimat. Sie war gerade dabei die Straße zu überqueren, als sie sah, wie ein Mann mit einer, nein, nicht irgendeiner, mit Fou-Mais Tasche in der Hand, ihr Haus verließ. Behutsam zog er die Türe hinter sich zu. Und was tat er jetzt? Er schloss sie ab! Er hatte also auch Fou-Mais Schlüssel! Für Naomi bestand kein Zweifel, das musste ER sein. Offensichtlich hatte Fou-Mai ihn geschickt um ihr ein paar Sachen zu holen. Anscheinend war ihre Angebetete so böse auf sie, dass sie so schnell nicht vorhatte nach Hause zurück zu kommen. Wer weiß, wann sie überhaupt von sich hören lassen würde! Als Naomi sah, wie der fremde und doch so vertraute Feind auf eine schwarze Limousine zusteuerte, überlegte sie nicht lange. Sie musste wissen, wo ihre Liebste war, musste einfach mit ihr sprechen und ihr Herz erweichen; kampflos konnte sie doch nicht aufgeben! Also ließ sie ihre Einkäufe einfach fallen, wen interessiert schon der Hunger des Magens, wenn das Herz vor Liebeshunger pocht, und winkte sich eilig ein Taxi.
“Schnell, folgen sie der schwarzen Limousine!” wies sie den Fahrer an, so fokussiert auf ihr Ziel, dass sie nicht einmal bemerkte, dass sie in diesem Moment auch die Hauptfigur in mindestens 5000 Filmen hätte sein können. Wäre es ihr aufgefallen, hätte ihr vielleicht gedämmert, dass am Ende solcher Verfolgungsjagden meist der Tod war tet, selten etwas Angenehmeres.
Nach einigen Kilometern, und einer Taxi- Rechnung, die fast den gesamten Rest von Naomis Barvermögen auffraß, hielt der verfolgte Wagen in der Einfahrt eines luxuriösen Hauses in einem ruhigen, idyllischen Vorstadtviertel. Es handelte sich um eine eindeutig bessere Wohngegend, in der die Häuser und Villen von weitläufigen Rasenflächen und hohen Hecken umsäumt waren. Der Rasen war immer ordentlich gestutzt und in den eichenbepflanzten Gärten tollten die Eichhörnchen ebenso ausgelassen herum wie die Bewohner in ihren Swimmingpools. Offenbar war Fou-Mais Galan einer von den Fünf aus Hundert, die nicht am Hungertuch nagen oder zumindest am Rande des Existenz minimums herumkrauchen mussten.
Dieser Umstand versetzte ihr einen deutlichen Stich; so viel hatte sie natürlich nicht zu bieten. Auf jeden Fall nicht in materieller Hinsicht; das sie emotional viel reicher und definitiv auch großzügiger war als er stand auf einem anderen Blatt. War es vielleicht das, was Fou-Mai so stark an diesen Mann band? Das Geld? Die finanzielle Sicherheit, de r Kokon der Reichen und Satten?
Naomi hatte sich von früher Jugend an selbst durchs Leben schlagen müssen und sich so manches blaue Auge dabei holen müssen. Hektisch paddelnd wie ein Nichtschwimmer, den man ohne Schwimmflügel in einen See geworfen hatte, der es aber irgendwie schaffte, den Kopf oben zu halten und nicht zu viel Wasser zu
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