Franley, Mark
niemanden identifizieren. Mit einem sehr unguten Gefühl verließen alle drei das Gelände und fuhren zurück zum Schloss.
Michail kam mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck die Freitreppe heruntergestürmt, ignorierte die beiden Leibwächter und ging vor seinem einzigen Sohn auf die Knie und fragte: »Wie geht es dir? Brauchst du einen Arzt?« Doch Wladimir war schon wieder ganz der Alte und tat alles als halb so wild ab. Dann erzählte er die Geschichte so, als hätte er eine Heldentat vollbracht, und als wären die beiden Leibwächter eh nur Idioten, auf die er mehr aufpassen musste, als diese auf ihn. Bei Andrej, der neben diesem Schauspiel stand, verflog die Angst vor seinem Boss und wurde stattdessen zur Wut auf diesen kleinen Hosenscheißer. Außerdem schwor er sich, es diesem missratenen Kind irgendwann, wenn gerade keiner hinsah, heimzuzahlen. Als Michail endlich damit fertig war, Wladimir seinen Mut zu bekunden, und ihn zu seiner Mutter schickte, stand er auf und befahl seinen Männern im Keller auf ihn zu warten.
Die darauf folgende Ansage fiel für die beiden Leibwächter glimpflicher aus, als erwartet. Natürlich zeigte Michail seine Autorität, wusste aber gleichzeitig, dass er die beiden gerade jetzt dringend brauchte.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Dimitrij, der bisher nur in einer Ecke stand und den Aussagen der Männer zugehört hatte.
»Was meinst du mit: Was machen wir jetzt?«, fragte der Boss und sah ihn grimmig an.
Dimitrij atmete tief durch und sagte dann: »Ich halte immer weniger davon, dass du und deine Familie hierbleibt. Verschiebe dieses Fest, warte bis wir, oder die Polizei, diese Frau gefunden haben. Dann kannst du immer noch feiern.« Es folgte eine kurze Pause und als er weitersprach, klang seine Stimme fast schon theatralisch. »Michail. Diese Irre hätte dein Kind heute umbringen können und ich habe keine Ahnung, warum sie das nicht getan hat. Reicht das noch nicht?«
Der Boss richtete seinen Finger auf Dimitrij und sagte mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete: »Ich habe es dir schon einmal gesagt und ich wiederhole mich nicht gerne. Dieses Fest findet statt! Du ziehst alle Männer zusammen und sollte ich hier auch nur eine Mücke unerlaubt herumfliegen sehen, habt ihr alle ein Problem! Wie du weißt, besitze ich einige Ländereien auf dieser Welt, die ich nicht einmal meinen Feinden antun würde.« Wieder folgte eine kurze Stille, in der er jedem der drei kurz in die Augen blickte, bevor er fragte: »Oder was glaubt ihr, wie lange ihr in den mexikanischen Anbaugebieten überleben würdet? Das dort sind Kämpfer und gegen die seid ihr ein Haufen verwöhnter Jungs.«
»Ja, Boss«, sagten alle drei, als wäre es abgesprochen, dann verließ Michail das Verhörzimmer und Dimitrij besprach mit Sergej und Andrej, wie man das Schloss am effektivsten schützen konnte.
–40–
Sebastian von Hausner war es überhaupt nicht recht, doch der Mann Michails bestand darauf, ihn zu begleiten. Trotz sämtlicher Beteuerungen, dass er nur für ungefähr zwei Stunden weg sein würde, ließ der Mann keinen Widerspruch zu und erklärte, dass er seinen Auftrag ihn zu beschützen, direkt vom Boss bekommen hatte und nur dieser ihn von dieser Pflicht entbinden könne.
Sebastian überlegte kurz, das Treffen mit der Domina erneut abzusagen, wusste aber, dass diese es nicht nötig hatte, jemandem wie ihm ewig Zugeständnisse zu machen. Außerdem brauchte er dringend ein Ventil für den Stress der letzten Tage, da sich sonst der Druck ganz andere Wege suchen würde, Wege, die schon das eine oder andere Kind zu spüren bekommen hatte und in diese Schiene wollte er nicht wieder zurückfallen.
Als sich diese seltsamen Bedürfnisse das erste Mal bemerkbar machten, glaubte er noch, dass ihm nur Kinder Erleichterung verschaffen könnten. Erst als ihm ein befreundeter Therapeut den Tipp gab, es mit einer Domina zu versuchen, bekam er die Sache langsam unter Kontrolle. Denn was er eigentlich gesucht hatte, war nicht die Hilflosigkeit kleiner Kinder, sondern selbst die Kontrolle abgeben und sich bedingungslos unterwerfen zu können.
Pünktlich um kurz vor 17 Uhr parkte er seinen Wagen vor dem unscheinbaren Wohnhaus, in dessen oberster Etage die Domina ihr Studio eingerichtet hatte. »Wartest du im Wagen?«, fragte Sebastian den Russen in der Hoffnung, nicht alles preisgeben zu müssen. Der Mann überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf und antwortete: »Ich gehe mit!«
»Das
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