Franz Eberhof 05 - Sauerkrautkoma
einmal: So rein aus weiblicher Solidarität heraus, hast du da überhaupt kein schlechtes Gewissen, mit dem Typen von einer anderen rumzuschieben?«
»Franz!«, lacht sie, und zwar herzlich. »Warum soll ich bitte schön ein schlechtes Gewissen haben? Ich kenn doch dein Susimäuschen noch nicht einmal. Wenn hier einer ein schlechtes Gewissen haben sollte, dann ja wohl du.«
Hm. So gesehen. Auf einmal wird mir dann doch irgendwie ganz komisch im Bauch. Zuerst denk ich ja so, das ist vielleicht auch noch so eine Spätfolge vom übermäßigen Sauerkrautkonsum und ich gehöre auch zu dieser winzigen Menge an Sauerkrautschwächlingen wie der Birkenberger. Aber wenn ich mal ehrlich bin: Die Steffi hat ja schon auch irgendwie recht. Aber bevor mir das jetzt alles zu kompliziert wird, bezahl ich dann mal lieber, und wir brechen auf. Leider hat die Steffi jetzt gar keine Zeit mehr, um mit mir den Ordner durchzugehen, weil halt Kinder und Pipapo. Aber in den nächsten Tagen, da wird es sicherlich mal passen, sagt sie. Dann wirft sie ihre rote Haarpracht zurück und verschwindet im Menschengewirr der Fußgängerzone. Und so mach ich mich auch wieder auf den Weg. Auf den Weg zur Löwengrube.
Kaum bin ich ein paar Schritte gegangen, kommt ein Anruf aus dem Krankenhaus. Dort wäre ein alter Mann eingetroffen mit einer noch älteren Frau, und urplötzlich sei der Rudi erwacht. Weil außer dem Papa und der Oma wohl kaum jemand infrage kommt, auf den diese Beschreibung zutrifft, geh ich einmal davon aus, dass ihn die Oma schlicht und ergreifend wachgeschrien hat. Gut, sag ich, ich komm hin. Dann leg ich auf.
Wie ich eintreff, hockt die Oma auf der Bettkante vomRudi und tätschelt seinen Unterarm. Leider ist es der Unterarm, wo die Infusionsflasche dranhängt, und dem armen Rudi treibt’s die Tränen in die Augen.
»Geh, jetzt lass ihn halt erst einmal ein bisschen durchschnaufen, Oma«, sag ich, zieh einen Stuhl hervor, und auf den platziere ich sie dann. Der Rudi entsendet tausend dankbare Blicke.
»Mei, Bub, das ist ja ganz furchtbar, gell«, schreit die Oma. »An meinem Sauerkraut ist noch nie jemand gestorben. Noch nie, das weiß ich genau.«
Sie schnäuzt sich ausgiebig.
»Ja, das weiß ich doch, Oma«, sag ich und muss kurz überlegen, wer hier mehr Trost braucht, die Oma oder der Rudi. Dann mischt sich der Papa ein.
»Die ganze Fahrt über hat sie geweint, die Oma«, sagt er ganz kleinlaut.
»Die ganzen viereinhalb Stunden?«, frag ich und muss grinsen.
»Volldepp!«, sagt der Papa brummig.
»Und dir? Wie geht’s dir denn jetzt?«, widme ich mich dann erst mal dem Rudi.
»Schlecht«, sagt er. »Die Ärzte meinen, es dauert schon noch ein paar Tage, bis sich meine Magen-Darm-Flora wieder etwas beruhigt hat. Momentan krieg ich nur Infusionen. Und eine Schleimsuppe hab ich auch schon gekriegt, die hab ich aber gleich wieder ausgekotzt.«
Ja, gut, das kann man verstehen.
Die Oma weint, der Papa schaut aus dem Fenster, und der Rudi schläft irgendwann ein. Weil hier jetzt auch nicht mehr so richtig der Bär steppt, drum brechen wir bald wieder auf.
Beim Rudi in der Wohnung mach ich mich dann erst einmal über das Chaos her. Ich wasche das Geschirr ab, putze Herd und Arbeitsfläche und wische den Tisch sauber. Hinterher,wie ich schließlich den Müll runterbring’, kann ich kaum glauben, was ich da sehe. Der Simmerl und der Flötzinger, die stehen nämlich mit einem Tragerl Bier vor den Klingelschildern, und ganz offensichtlich gehen sie grad die Namen durch.
»Sucht’s ihr was Bestimmtes?«, muss ich jetzt erst einmal fragen.
»Ja, dich«, sagt der Simmerl trocken.
»Paulaner!«, sagt der Flötzinger und stößt mit dem Fuß an den Bierkasten.
»Aha«, sag ich, weil mir weiter nix einfällt.
»Freust dich?«, fragt der Gas-Wasser-Heizungspfuscher und schaut nervös zum Simmerl rüber.
»Und wie«, sag ich und halte den beiden die Haustür auf.
Kaum in der Wohnung angekommen, bricht’s aus ihnen heraus, den zwei Touristen: dass sie nämlich bereits ganz genau informiert sind über diese furchtbare Geschichte mit dem Birkenberger. Und dass die arme Oma fix und fertig ist. Und freilich auch, dass sie den armen Franz doch unmöglich allein lassen können in dieser schweren Stunde. Ganz unmöglich sogar. Dafür hat man doch schließlich Freunde, oder?
Doch nach jeder Halben wird es ein kleines bisschen klarer, was sie in Wirklichkeit hierher verschlagen hat. Der Simmerl nämlich, der wollte heut eigentlich
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