Franz G. - Thriller (Wegners schwerste Fälle) (German Edition)
miteinander
gesprochen. Natürlich wusste er, dass es regelmäßige Treffen und Telefonate
zwischen den beiden Frauen gab, aber er stellte sich in diesem Zusammenhang nur
zu gern dumm und unwissend. Schon am Anfang ihrer Pubertät war ihm seine
Tochter vorgekommen, als ob nur noch Hormone über ihr Denken und Handeln
bestimmten. Jedes Wochenende, wenn sie wieder einmal erst mitten in der Nacht
nachhause kam, gab es furchtbaren Streit. Nicht selten hatte er ihr wortlos
eine Ohrfeige verpasst, die sie stets nur durch ein verächtliches Schnaufen
kommentierte und hinnahm wie ein ausgewachsener Kerl.
»Tina!
Was verschafft mir die Ehre?«, seine Stimme klang brüchiger und dünner, als er
es sich wünschte.
Ohne auf
diese offene Provokation einzugehen, fuhr seine Tochter fort: »Wo ist Mama? Ich
versuche sie seit Ewigkeiten zu erreichen, aber sie geht weder zuhause ran,
noch an ihr Handy.«
In
Gerbers Kopf rotierte es. Eine Lüge musste her! Und zwar eine gute, die sie
schlucken würde, um ihm damit zumindest ein paar Tagen Luft zu verschaffen. Am
besten eignete sich hier Ehrlichkeit – wenigstens ein Teil davon: »Wir haben
uns fürchterlich gestritten ... du kennst mich ja.«
»Allerdings!«,
giftiger konnte der Ton seiner Tochter kaum sein.
»Deine
Mutter ist dann weggefahren ... keine Ahnung wohin.«
»Und hat
sich danach nicht bei mir gemeldet und geht auch nicht an ihr Handy?« Tina
Gerbers Stimme wurde von Wort zu Wort bissiger. »Du hältst mich zwar für blöd,
aber so blöd bin ich auch nicht!«
»Ich
halte dich nicht für blöd«, antwortete Franz Gerber in dünnem Ton.
Atmosphärisches
Rauschen verriet ihm, dass seine Tochter das Gespräch als beendet ansah. Ob
dieses abrupte Ende nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, konnte er in
diesem Moment nicht mit Sicherheit sagen. Nur, dass er froh darüber war, es
hinter sich zu haben.
***
Manfred
Wegner und Sven saßen mittlerweile in einem kleinen Bistro, direkt in der Langen
Reihe. Der Besitzer war ein alter Freund von Wegner und bewirtete die beiden
mit ausgesuchten Leckereien, die er in regelmäßigen Abständen heranschleppte.
»Nur
noch einen Bissen, Alfonso und ich platze einfach.«
»Hier
ist noch keiner geplatzt, Herr Hauptkommissar. Diese müssen sie probieren – es
ist ein altes Rezept meiner Großmutter.«
»Gut!
Aber das ist die letzte Platte, sonst können Sie und Ihre Kellner mich nachher
zum Auto tragen.«
Endlich
widmete sich Alfonso anderen Gästen, sodass die beiden nun, nach und nach, die
restlichen Häppchen unbemerkt an Rex verfüttern konnten, der müde unter dem
Tisch lag.
»Was
gibt es Neues?«, erkundigte sich Wegner mit seltsamem Lächeln.
Sven
grinste breit und beugte sich ein wenig nach vorne. »Ich tue es nicht mehr ...
schon seit über einer Woche.«
»Was?«
»Na den
Arsch hinhalten. Ich tue es nicht mehr und werde es auch nicht mehr tun.«
Wegner
runzelte erstaunt die Stirn. »Und was tust du dann?«
»Dies
und das ...«
»Hoffentlich
nichts Kriminelles!«
»Ist
Zeitschriften austragen und das Fegen eines Elbkutters kriminell?«
»Hm
...«, Wegner rieb sich das Kinn, »zumindest nicht, dass ich wüsste – aber ich
lass das mal prüfen.«
Jetzt
kicherten die beiden verhalten.
»Und
geht das denn? Ich meine – kommst du damit über die Runden?«
»Ich
kann in den meisten Nächten auf der Alsterperle schlafen. Dann bin ich auch
pünktlich zum Putzen dort. Der Kapitän ist ein Raubein, aber ein nettes, wenn
man ihn kennt und tut, was er sagt. Ist ähnlich wie bei Ihnen.«
Wegner
schaute entrüstet, grinste jedoch.
»Naja
... Sie wissen schon, was ich meine.« Sven zögerte einen Moment und fuhr dann
leise fort: »Aber ich bin jede freie Stunde auf der Straße und suche ...«
»Wonach?«
»Hinweise
... vielleicht eine Spur ... oder ob andere vermisst werden.«
»Und?«
»Nichts.«
20
G egen Feierabend traf Wegner
ernüchtert auf dem Revier ein. Hauser saß an seinem Schreibtisch und
telefonierte mit einem Zeugen, der seinen Termin zum dritten Mal verschieben
wollte. Sein grimmiger Unterton verriet, dass es auch mit seiner Laune nicht
zum Besten stand. Nachdem er aufgelegt hatte, schlug er die Hände vors Gesicht
und atmete schnaufend wie durch eine Gasmaske. »Ich werde in diesem scheiß
Laden noch verrückt. Während du dich im Außendienst amüsierst, läuft der ganze
Mist hier bei mir auf.« Hauser raufte sich die wenigen Haare. »Ich habe im
Archiv noch ein weiteres Regal
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