Franz Sternbalds Wanderungen
die Blonde. Abseits befestigten Franz und Rudolph ein Seil zwischen zwei dicken, nahestehenden Eichen, ein Brett war bald gefunden und die Schaukel fertig. Emma setzte sich furchtsam hinein, und flog nun nach dem Takte und Schwunge der Musik im Waldschatten auf und ab. Es war lieblich, wie sie bald hinauf in den Wipfel schwankte, bald wieder wie eine Göttin herabkam, und mit leichter Bewegung einen schönen Zirkel beschrieb.
»Nun, mein Freund«, rief Rudolph öfter, »bist du nun nicht vergnügt? Laß alle Grillen schwinden!« Franz sah nur die reizende Gestalt, die sich in der Luft bewegte.
Als man des Tanzes überdrüssig war, setzte man sich wieder nieder, und ergötzte sich an Liedern und aufgegebenen Rätseln. Jetzt ertrug Sternbald den Mutwillen der Poesie, die in alten Reimen die Reize der Liebsten lobpries: er stimmte mit ein, und verließ die blonde Emma niemals, wenigstens mit den Augen.
Der Abend brach ein, in gespaltenen Schimmern floß das Abendrot durch den Wald, die lieblichste, stillste Luft umgab die Natur, und bewegte auch nicht die Blätter am Baume. Rudolph, dessen Phantasie immer geschäftig war, ließ nun eine lange Tafel bereiten, auf die ebenso viele Blumen als Speisen gesetzt wurden, dazwischen die Lichter, die kein Wind verlöschte, sondern die ruhig fortbrannten, und einen zauberischen, berauschenden Anblick gewährten. Man aß unter schallender Musik, dann wurden die Tische auseinandergeschoben, und umher zwischen den Bäumen verteilt, die Wachskerzen brannten auch hier. Nun kam ein mutwilliges Pfänderspiel in den Gang, bei dem Sternbald manchen herzlichen Kuß von seiner Blonden empfing, wobei ihm jedesmal das Blut in die Wangen stieg.
Jetzt war es Nacht, man mußte sich trennen. Die Leute aus dem Dorfe und der kleinen Stadt gingen zurück, Rudolph und Sternbald begleiteten den Zug, Laternen gingen voran, dann folgten die Spielleute, die fast beständig ihre Musik erschallen ließen, und dadurch den Zug im Takte erhielten. – Jetzt standen sie vor dem Dorfe, er nahm mit einem herzlichen Kusse Abschied; Emma war stumm, er konnte kein Wort hervorbringen.
Schweigend ging er mit Rudolph durch den Wald zurück: als sie heraustraten, glänzte ihnen über die Ebene herüber der aufgehende Mond entgegen: das Schloß brannte in sanften goldenen Flammen.
Achtes Kapitel
Das Bildnis der Gräfin und des fremden Ritters war beendigt, sie war sehr zufrieden, und belohnte den Maler reichlicher, als es beide Freunde erwartet hatten.
Franz erstaunte oft in einsamen Stunden über sich selber, über die Ungenügsamkeit, die ihn peinigte. Er betrachtete dann mit wehmütiger Ungeduld das Bild seiner ehemaligen Geliebten, er wollte sie seiner Phantasie in aller vorigen Klarheit zurückzaubern, aber sein Geist und seine Sinne waren wie mit ehernen Banden in der Gegenwart festgehalten.
»Bravo!« sagte an einem Morgen Rudolph zu seinem Freunde, »du gefällst mir, denn ich sehe, du lernst von mir. Du ahmst mir nach, daß du auch eine Liebschaft hast, die deine Lebensgeister in Tätigkeit erhält, glaube mir, man kann im Leben durchaus nicht anders zurechtkommen. So aber verschönert sich uns jede Gegend, der Name der Dörfer und Städte wird uns teuer und bedeutend, unsre Einbildung wird mit lieblichen Bildern angefüllt, so daß wir uns allenthalben wie in einer ersehnten Heimat fühlen.«
»Aber wohin führt uns dieser Leichtsinn?« fragte Franz.
»Wohin?« rief Rudolph aus, »o mein Freund, verbittere dir nicht mit dergleichen Fragen deinen schönsten Lebensgenuß, denn wohin führt dich das Leben endlich?«
»Aber die Sinnlichkeit«, sagte Franz, »hörst du nicht jeden rechtlichen Menschen schlecht davon sprechen?«
»Oh, über die rechtlichen Menschen!« sagte Florestan lachend, »sie wissen selbst nicht, was sie wollen. Der Himmel gibt sich die Mühe, uns die Sinnen anzuschaffen, nun, so wollen wir uns deren auch nicht schämen, nach unserm löblichen Tode wollen wir uns dann mit des Himmels Beistand zur Freude besser gebärden.«
»Was war das für ein Mädchen«, fragte Franz, »das du in der Gegend von Antwerpen besuchtest?«
»Oh, das ist eine Geschichte«, antwortete jener, »die ich dir schon lange einmal habe erzählen wollen. Ich war vor einem Jahre auf der Reise, und ritt übers Feld, um schneller fortzukommen. Ich war müde, mein Pferd fing an zu hinken, die Meile kam uns unendlich lang vor. Ich sang ein Liedchen, ich besann mich auf hundert Schwänke, die mich in vielen andern
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