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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Stunden erquickt hätten, aber alles war vergebens. Indem ich mich noch abquäle, sehe ich eine hübsche niederländische Bäuerin am Wege sitzen, die sich die Augen abtrocknet. Ich frage, was ihr fehlt, und sie erzählt mir mit der liebenswürdigsten Unbefangenheit, daß sie schon so weit gegangen sei, sich nun zu müde fühle, noch zu ihren Eltern nach Hause zu kommen, und darum weine sie, wie billig. Die Dämmerung war indes schon eingebrochen, mein Entschluß war bald gefaßt: ohne weiter um Rat zu fragen, bot ich ihr das müde Pferd an, um bequemer fortzukommen. Sie ließ sich eine Weile zureden, dann stieg sie hinauf, und setzte sich vor mich: ich hielt sie mit den Armen fest. Nun fing ich an, die Meile noch länger zu wünschen, der niedlichste Fuß schwebte vor mir, von der Bewegung entblößt, die frische rote Wange dicht an der meinigen, die freundlichen Augen mir nahe gegenüber. So zogen wir über das Feld, indem sie mir ihre Herkunft und Erziehung erzählte: wir wurden bald vertrauter, und sie sträubte sich gegen meine Küsse nicht mehr.
    Nun wurde es Nacht, und die Bangigkeit, die sie erfüllte, erlaubte mir, dreister zu sein. Endlich kamen wir in der Nähe ihrer Behausung, sie stieg behende herunter, wir hatten schon unsre Abrede genommen. Sie eilte voraus, ich blieb eine Weile zurück, dann zwang ich mein Pferd, in einer Art von Galopp mit mir vor das Haus zu sprengen. Es war ein altes weitläuftiges Gebäude, das abseits vom übrigen Dorfe lag; das Mädchen kam mir entgegen, ich trat als ein verirrter Fremdling ein, und bat demütig um ein Nachtlager. Die Eltern bewilligten es mir gern, die Kleine spielte ihre Aufgabe gut durch, sie zeigte mir verstohlen, daß sie neben der Kammer schlafen würde, die man mir einräumte; sie wollte die Tür offen lassen. Das Abendessen, die umständlichen Gespräche wurden mir sehr lang, endlich ging alles schlafen, meine Freundin aber hatte in der Wirtschaft noch allerhand zu besorgen. Ich betrachtete indessen meine Kammer, sie führte auf der einen Seite nach dem Schlafzimmer des Mädchens, auf der andern in einen langen Gang, dessen äußerste Tür geöffnet war. Freundlich schien durch diese die runde Scheibe des Mondes, das schöne Licht lockt mich hinaus, ein Garten empfängt mich. Ich durchwandere auch diesen, gehe durch ein Gattertor, und verliere mich voller Erwartungen im Felde.
    Man ist indessen sorgsam gewesen, alle Türen zu verschließen, es war das letzte Geschäft des Vaters, nach allen Riegeln im Hause zu sehn. Bestürzt komme ich zurück, die Gartentür ist verschlossen; ich rufe, ich klopfe, niemand hört mich, ich versuche überzusteigen, aber meine Mühe war vergebens. Ich verwünsche den Mond und die Schönheiten der Natur, ich sehe die Freundliche vor mir, die mich erwartet und mein Zögern nicht begreifen kann.
    Unter Verwünschungen und unnützen Bemühungen sah ich mich genötigt, den Morgen auf dem freien Felde abzuwarten: alle Hunde wurden wach, aber kein Mensch hörte mich, der mich eingelassen hätte. Oh, wie segnete ich die ersten Strahlen des Frührots! Die Alten bedauerten mein Unglück, das Mädchen war so verdrüßlich, daß sie anfangs nicht mit mir sprechen wollte, ich versöhnte sie aber endlich, ich mußte fort, und versprach ihr, auf meiner Rückreise von England sie gewiß wieder zu besuchen. Und du sahst damals, daß ich ihr auch Wort hielt.
    Ich kam an: schon sah ich mit Verdruß und klopfendem Herzen den Garten mit der mir so wohlbekannten Mauer, schon suchte mein Auge das Mädchen, aber die Sachen hatten sich indessen sehr verändert. Sie war verheiratet, sie wohnte in einem andern Hause, und was das Schlimmste war, sie liebte sogar ihren Mann; als ich sie besuchte, bat sie mich mit der höchsten Angst, doch ja je eher je lieber wieder fortzugehn. Ich gehorchte ihr, um ihr Glück nicht zu stören. – Siehst du, mein Freund, das ist die unbedeutende Geschichte einer Bekanntschaft, die sich ganz anders endigte, als ich erwartet hatte.«
    »Dir geschieht schon recht«, sagte Franz, »wenn du manchmal für deinen übertriebenen Mutwillen bestraft wirst.«
    »Oh, daß ihr allenthalben Übertreibungen findet!« rief Florestan aus, »ihr seid immer besorgt, euch in allen Gedanken und Gefühlen zu mäßigen. Aber es gelingt niemals und ist unmöglich, in einem Gebiete zu messen und zu wägen, wo kein Maß und Gewicht anerkannt wird. Es freut mich, dich auch einmal verliebt zu sehn.«
    Franz sagte: »Ich weiß nicht, ob ich

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