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Franz Sternbalds Wanderungen

Franz Sternbalds Wanderungen

Titel: Franz Sternbalds Wanderungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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Pilgerfahrt suchen.
    Er wußte natürlich nicht, wohin er seinen Weg richten sollte, er ging daher auf der ersten Straße fort, auf welche er traf. Seine Seele war unaufhörlich mit dem geliebten Bilde angefüllt, in der reizendsten Gestalt sah er es vor sich hinschweben und folgte ihm wie unwillkürlich nach. In den Wäldern saß er oft still und dichtete ein Lied auf seine wunderbare Leidenschaft; dann hörte er dem Gesange der Nachtigallen zu, und vertiefte und verlor sich so sehr in sich selber, daß er die Nacht im Walde bleiben mußte.
    Zuweilen erwachte er wie aus einem tiefen Schlafe, und überdachte dann seinen Vorsatz mit kälterem Blute, alles, was er wollte und wünschte, kam ihm dann wie eine Traumgestalt vor; er bestrebte sich oft, sich des Zustandes seiner Seele zu erinnern, ehe er das Bildnis im Grase gefunden hatte, aber es war ihm unmöglich. So wandelte er fort, und verirrte sich endlich von der Straße, indem er in einen dicken Wald geriet, der gar kein Ende zu haben schien.
    Er ging weiter und traf immer noch keinen Ausweg, das Gehölz ward immer dichter, Vögel schrien und lärmten mit seltsamen Tönen durch die stille Einsamkeit. Jetzt dachte er an seinen Freund, ihm schien selber sein Unternehmen wahnsinnig, und er nahm sich vor, am folgenden Tage nach seinem Schlosse zurückzukehren. Es wurde Nacht, und wie wenn eine Verblendung, eine Krankheit, eine träumende Betäubung plötzlich von ihm genommen sei, so verschwand seine Leidenschaft, es war wie ein Erwachen aus einem schweren Traume. Er wanderte durch die Nacht weiter, denn der Mond warf seinen Schimmer durch die Zweige, er sah schon seinen Freund vergnügt und versöhnt vor sich stehn, er dachte sich sein künftiges ruhiges Leben. Unter diesen Betrachtungen brach der Morgen an, die Sonne senkte ihre frühen Strahlen durch das grüne Gebüsch, und neuer Mut und neue Heiterkeit ward in ihm wach. Er betrachtete das Gemälde wieder, und wußte nicht, was er tun sollte. Alle seine Entschlüsse fingen an zu wanken, jedes andre Leben erschien ihm leer und nüchtern, er wünschte und dachte nur sie. Denn aus der Farbe, aus dem Schmuck blühte wie ein voller knospenschwerer Frühling die Sehnsucht wieder auf ihn zu und umfing ihn mit duftenden blumenden Zweigen. Da war keine Rettung, er mußte sie wieder glauben, sie von neuem wünschen und suchen. ›Wohin soll ich mich wenden?‹ rief er aus. ›O Morgenrot! zeige mir den Weg! ruft mir, ihr Lerchen, und zieht auf meiner Bahn voran, damit ich wissen möge, wohin ich den irren Fuß setzen soll. Meine Seele schwankt in Leid und Freude, kein Entschluß kann Wurzel fassen, ich weiß nicht, was ich bin, ich weiß nicht, was ich suche.‹
    Indem er so mit sich selber sprach, trat er aus dem Walde, und eine schöne Ebene mit angenehmen Hügeln lag vor ihm. In der Ferne standen Kruzifixe und kleine Kapellen im Glanz der Morgensonne. Der Trieb weiterzuwandern, und den Inhalt seiner Gedanken aufzusuchen, ergriff den Jüngling mit neuer Gewalt. Da sah er in der Entfernung eine Gestalt sich auf der Wiese bewegen, und als er weiterging, unterschied er, daß es eine Pilgerin sei. Die Gegenwart eines Menschen zog ihn nach der langen Einsamkeit an, er verdoppelte seine Schritte. Jetzt war er näher gekommen, als die Pilgerin vor einem Kruzifix am Wege niederkniete, die Hände in die Höhe hob, und andächtig betete. Indem kam ein Reuter vom nächsten Hügel heruntergesprengt; als er näher kam, sah Ferdinand, daß es derselbe sei, der ihm an jenem Morgen vorüberflog, als er sein geliebtes Bildnis fand. Der Reuter stieg schnell ab und näherte sich der Betenden; als er sie mit einem genauen Blicke geprüft, ergriff er sie mit einer ungestümen Bewegung. Sie streckte die Hände aus und rief um Hülfe. Zwei Diener kamen mit ihren Pferden, und wollten sich auf Befehl ihres Herrn der Pilgerin bemächtigen. Ferdinands Herz ward bewegt, er zog den Degen und stürzte auf die Räuber ein, die sich zur Wehre setzten. Nach einem kurzen Gefechte verwundete er den Ritter; dieser sank nieder, und die Diener nahmen sich erschreckt seiner an. Da er in Ohnmacht lag, so trugen sie ihn zu seinem Pferde, um im nächsten Orte Hülfe zu suchen. Die Pilgerin hatte die Zeit des Kampfes benutzt, und war indessen feldeinwärts geflohen, Ferdinand erblickte sie in einer ziemlichen Entfernung. Er eilte ihr nach und sagte: ›Ihr seid gerettet, Pilgerin, Ihr mögt nun ungehindert Eures Weges fortziehen, die Räuber haben sich

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