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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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erschütternd. Ich meine,
ich weiß ja, so umwerfend, oder was weiß ich, bin ich nicht, aber ich glaube
doch, ich bin wenigstens fünf Minuten höfliche Konversation wert. Seit acht
Monaten warte ich nun auf diese fünf Minuten. Ich will schon gar nicht mehr vor
die Tür, so demoralisierend ist das.»
    «An dir
liegt es nicht. Du siehst gut aus. Vielleicht bist du einfach zu nett für New
York. Dort herrscht ein ziemlich nackter Wettbewerb.»
    «Aber wie
kommt es, dass es dort so viele Mädchen wie mich gibt? Und keine Typen? Haben
die guten alle beschlossen, woandershin zu gehen?»
    Katz ließ
die ihm bekannten jungen Männer im Großraum New York Revue passieren, darunter
auch seine ehemaligen Kumpel von Walnut Surprise, und ihm fiel nicht einer ein,
dem er bei einer Verabredung mit Jessica vertrauen würde. «Die Mädchen kommen
alle wegen der Verlage und der Kunstszene und wegen nichtkommerzieller
Sachen», sagte er. «Die Typen dagegen wegen Geld und Musik. Das ist schon mal
eine Vorauswahl. Die Mädchen sind nett und interessant, die Typen sind allesamt
Arschlöcher wie ich. Also nimm's nicht persönlich.»
    «Ich hätte
einfach nur mal gern ein schönes
Date.»
    Er
bedauerte, ihr gesagt zu haben, sie sehe gut aus. Es hatte leicht nach einer
Anmache geklungen, und er hoffte, sie hatte es nicht in den falschen Hals
gekriegt. Leider hatte es doch den Anschein.
    «Bist du
echt ein Arschloch?», sagte sie. «Oder hast du das bloß so gesagt?»
    Der Ton
koketter Provokation war alarmierend und musste im Keim erstickt werden. «Ich
bin hergekommen, um deinem Dad einen
Gefallen zu tun», sagte er.
    «Das
klingt ja nicht nach Arschloch», sagte sie neckisch.
    «Vertrau
mir. Ich bin eins.» Er bedachte sie mit dem strengsten Blick, den er zustande
brachte, und tatsächlich, sie bekam ein wenig Angst davon.
    «Das
verstehe ich nicht», sagte sie.
    «Ich bin
nicht dein Verbündeter an der Inderinnenfront. Ich bin dein Feind.»
    «Was?
Warum? Was kümmert dich das?»
    «Ich hab's
dir doch gesagt. Ich bin ein Arschloch.»
    «Herrgott.
Na gut.» Mit hochgezogenen Brauen blickte sie auf den Tisch, verwirrt,
verängstigt und beleidigt zugleich.
    «Diese
Nudeln sind übrigens hervorragend. Danke, dass du sie gemacht hast.»
    «Gern.
Nimm doch auch was von dem Salat.» Sie stand auf. «Ich glaube, ich geh dann mal
nach oben und lese ein bisschen. Sag Bescheid, wenn du was brauchst.»
    Er nickte,
und sie verließ das Zimmer. Das Mädchen tat ihm leid, aber sein Geschäft in
Washington war ein schmutziges, und es hatte wenig Sinn, es zu beschönigen. Als
er mit dem Essen fertig war, sah er sich aufmerksam Walters riesigen
Bücherbestand und seine noch riesigere CD- und LP-Sammlung an, dann zog er sich
nach oben in Joeys Zimmer
zurück. Er wollte derjenige sein, der ein Zimmer betrat, in dem Patty war, nicht derjenige, der in einem Zimmer wartete, das sie betrat.
Als Wartender war man zu verwundbar; das entsprach Katz nicht. Obwohl er
Ohrhörer normalerweise mied, weil sie aus seinem Tinnitus eine veritable Symphonie machten, steckte er sich jetzt welche hinein, um nicht
sehnsüchtig nach Schritten und Stimmen zu horchen, während er im Bett lag.
    Am
nächsten Morgen blieb er fast bis neun auf seinem Zimmer, dann ging er die
Hintertreppe hinab, auf der Suche nach Frühstück. Die Küche war leer, aber
jemand, vermutlich Jessica, hatte Kaffee gekocht, Obst aufgeschnitten und Muffins hingestellt. Feiner Frühlingsregen fiel auf den kleinen Garten, dessen
Osterglocken und Jonquillen, sowie die Schrägen der dicht daneben stehenden
Stadthäuser. Katz hörte Stimmen im vorderen Bereich der Villa und schlenderte,
Kaffee und Muffin in der Hand, den Gang entlang, bis er im Sitzungszimmer, auf
ihn wartend, Walter, Jessica und Lalitha entdeckte, alle schon geschrubbt,
tagesgecremt und duschhaarig.
    «Gut, dass
du jetzt da bist», sagte Walter. «Dann können wir ja anfangen.»
    «Mir war
nicht klar, dass wir uns so früh treffen.»
    «Es ist
neun Uhr», sagte Walter. «Für uns ist es ein Arbeitstag.»
    Er und
Lalitha saßen nahe der Mitte des großen Tischs nebeneinander, Jessica an
seinem hintersten Ende, die Arme verschränkt, Skepsis und Abwehr verströmend.
Katz setzte sich den anderen gegenüber.
    «Hast du
gut geschlafen?», sagte Walter. «Bestens. Wo ist Patty?»
    Walter
zuckte die Achseln. «Sie kommt nicht zur Sitzung, wenn du das meinst.»
    «Wir
versuchen hier, etwas auf die Beine zu stellen», sagte Lalitha. «Wir wollen
uns

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