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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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sich vor
wie ein herumfliegendes Insekt, das sich in einem klebrigen Familiennetz
verfangen hatte. Er versuchte einfach immer weiter, nett zu Walter
zu sein, weil er ihn mochte; wenn er ihn nicht so gemocht hätte, hätte er Patty wahrscheinlich gar nicht gewollt; und wenn er sie nicht gewollt hätte,
würde er jetzt nicht hier sitzen und auf nett machen. Was für ein Durcheinander
aber auch.
    Und jetzt
klackten ihre Schritte durch den Flur. Walter hörte auf zu sprechen und holte
tief Luft, wappnete sich sichtlich gegen sie. Katz drehte sich auf seinem Stuhl
zur Tür hin - und da war sie. Die jugendlich frische Mom, die eine dunkle Seite
hatte. Sie trug schwarze Stiefel, einen engen rot-schwarzen Rock aus Seidenbrokat
und einen schicken kurzen Regenmantel, eine Kombination, in der sie großartig
und zugleich gar nicht wie sie selbst aussah. Katz konnte sich nicht erinnern,
sie jemals in etwas anderem als Jeans gesehen zu haben.
    «Hallo,
Richard», sagte sie und schaute ungefähr in seine Richtung. «Hallo,
allerseits. Wie läuft's?»
    «Wir haben
gerade erst angefangen», sagte Walter.
    «Dann will
ich auch nicht weiter stören.»
    «Hast dich
ja richtig aufgebrezelt», sagte Walter.
    «Ich gehe
einkaufen», sagte sie. «Vielleicht sehen wir uns ja heute Abend, falls ihr da
seid.»
    «Machst du
Abendessen?», sagte Jessica.
    «Nein, ich muss bis neun arbeiten. Aber wenn ihr
wollt, könnte ich noch was vorbeibringen, bevor ich gehe.»
    «Das wäre
äußerst hilfreich», sagte Jessica, «weil wir hier den ganzen Tag zusammensitzen
werden.»
    «Tja, und
ich würde gern Abendessen machen, wenn ich keine Acht-Stunden-Schicht hätte.»
    «Ach,
egal», sagte Jessica. «Vergiss es einfach. Wir gehen was essen oder so.»
    «Das
scheint mir wirklich das Einfachste zu sein», stimmte Patty zu.
    «Na dann»,
sagte Walter.
    «Genau, na
dann», sagte sie. «Ich hoffe, es wird für alle ein Spitzentag.»
    Nachdem
sie jeden der vier so zügig verärgert, ignoriert oder enttäuscht hatte, ging
sie weiter durch den Flur und zur Haustür hinaus. Lalitha, die seit dem Moment,
als Patty erschienen war, auf ihrem
BlackBerry herumgeklickt hatte, wirkte am unglücklichsten.
    «Arbeitet
sie jetzt sieben Tage die Woche oder was?», sagte Jessica.
    «Nein,
normalerweise nicht», sagte Walter. «Ich weiß nicht recht, was das jetzt
sollte.»
    «Irgendwas
ist ja immer, oder», murmelte Lalitha und drückte weiter auf ihrem Gerät herum.
    Jessica
wandte sich zu ihr und gab ihre Gereiztheit umgehend zurück. «Sag einfach
Bescheid, wenn du mit deiner E-Mail fertig bist, ja? Wir warten einfach so
lange, bis du fertig bist, ja?»
    Lalitha,
schmallippig, tippte weiter.
    «Vielleicht
kannst du das später machen?», sagte Walter sanft. Sie knallte das BlackBerry
auf den Tisch. «Okay», sagte sie. «Fertig!»
    Als das
Nikotin Katz durchströmte, ging es ihm allmählich besser. Patty hatte trotzig gewirkt, und trotzig war gut. Auch dass sie sich aufgebrezelt hatte, war seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. Aufgebrezelt warum?
Um sich ihm zu präsentieren. Und warum Freitag- und Samstagabend arbeiten? Um
ihm aus dem Weg zu gehen. Ja, um genauso Verstecken mit ihm zu spielen wie er
mit ihr. Jetzt, wo sie weg war, konnte er sie besser sehen, ihre Signale ohne
die vielen Nebengeräusche empfangen, sich vorstellen, wie er die Hände auf
ihren schönen Rock legte, sich erinnern, wie sehr sie ihn in Minnesota gewollt
hatte.
    Doch
zunächst einmal das Problem von zu viel Fortpflanzung: Die erste konkrete
Aufgabe, sagte Walter, sei es, sich für ihre Initiative einen Namen
auszudenken. Seine eigene Arbeitsidee war Jugend gegen den Irrsinn, eine
persönliche Hommage an «Youth Against Fascism», das er für eines der besseren
Lieder hielt (und Katz stimmte ihm da zu), die Sonic Youth aufgenommen hatten.
Jessica jedoch bestand auf einem Namen, der eher ja als nein sagte. Der pro und
nicht kontra war.
    «Die Leute
meines Alters sind bei weitem freisinniger als ihr damals», erklärte sie.
«Gegen alles, was nach Elite riecht oder den Standpunkt eines anderen nicht
respektiert, sind sie allergisch. Es kann nicht sein, dass ihr in eurer
Kampagne den Leuten sagt, was sie zu unterlassen haben. Es muss um eine coole, positive Entscheidung gehen, die wir alle treffen.»
    Lalithas
Vorschlag, Die Lebenden zuerst, tat Katz in den Ohren weh und wurde von Jessica
mit sengender Verachtung abgeschmettert. Und so brainstormten sie den
Vormittag hindurch, wobei Katz den Input

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